Nun hat der neue Regierungschef Mariano Rajoy seinen ersten Generalstreik in Spanien am Hals: Am 29. März (Donnerstag) ist es so weit! Die grossen Gewerkschaften Comissiones Obreras und UGT hatten bis zur letzten Minute auf ein Gesprächsangebot durch die konservative Regierung gewartet. Es blieb aus. Deswegen wurde heute der sechste Generalstreik in der demokratischen Geschichte des Landes anberaumt: „Der erste, aber vermutlich nicht der lezte Generalstreik gegen diese unsägliche Arbeitsmarktreform, die am 10. Februar beschlossen wurde„, gab sich ein Gewerkschaftssprecher entschlossen.
Comisiones Obreras und UGT sahen sich im Zugzwang: „Die Regierung hat den sozialen Verfall des Landes eingeleitet und sich den Märkten gebeugt. Diese überharte Reform wird keine Arbeitsplätze schaffen, nur mehr Armut im Land.“ Die Gewerkschaftsführer sehen keinen anderen Ausweg: „Rajoy hat unser Gesprächsangebot ausgeschlagen und uns nicht einmal empfangen. Jetzt kann er wählen. Entweder er verhandelt oder wir werden ihn mit noch mehr Protest dazu zwingen.
Cándido Méndez, der Chef der grossen Gewerkschaft UGT, ist besonders enttäuscht darüber,
dass die Regierung jedes Gesprächsangebot ausgeschlagen hatte.
Der Regierungschef selbst fürchtet den Generalstreik wie der Teufel das Weihwasser. Protestmärsche, und seien sie noch so zahlreich, steckt Mariano Rajoy fast unbeeindruckt weg. Ein Generalstreik ist etwas ganz anderes. Das nagt an seinem Image, kostet Wirtschaftspunkte im ganzen Land. Man muss dabei festhalten, dass alle Massnahmen, die in Europa gerade getroffen werden, einen ideologischen Hintergrund haben. Es sind keine technisch neutralen Massnahmen.
„Wenn die Gehälter sinken steigt die Produktivität.“ – Nein, ist so nicht! In den vergangenen zehn Jahren sind die Reallöhne in Spanien gesunken, die Produktivität ist nicht gestiegen. 2009 zum Beispiel: Die Löhne stiegen um 1%, richtig, aber die Preise um 3%. Die Reallöhne sanken also um zwei Punkte. Im selben Zeitraum stiegen die Gewinne der IBEX-Unternehmen um 24,7 Prozent. Nicht die Produktivität steigt also, wenn die Reallöhne sinken sondern die Unternehmergewinne.
Eins ist aber ganz sicher richtig: Sinken die Reallöhne, sinkt die Inlandsnachfrage. Darüber mag derzeit kaum jemand reden. Die dumpfe Parole lautet: Runter mit den Löhnen. Noch etwas: „Die Staatsausgaben in Spanien sind unverschämt hoch!“ – Stimmt auch nicht: Die Ausgaben pro Kopf der Bevölkerung in Spanien liegen deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Noch einer: „Der Sozialstaat in Spanien ist über dimensioniert!“ – Realitätscheck: Die Sozialausgaben in Spanien liegen unter dem EU-Durchschnitt. Nur ein Beispiel: Für zehn Prozent der Kinder zwischen 0 und 2 Jahren stehen in Spanien Kindergartenplätze zur Verfügung. Im EU-Durchschnitt haben 28 Prozent einen Kindergartenplatz.
So könnte man stundenlang weitermachen. Alles Beispiele, die zeigen können, dass hier eine ideologische Weltsicht umbaut. Dagegen gibt es nur ein einziges Mittel, den öffentlichen Protest und Lärm machen, so viel wie möglich. Na dann, vamos todos a la huelga …
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Mich wunderte eigentlich nur, dass es so lange dauerte, immerhin einen Monat, bis der Generalstreik ausgerufen wurde! Aber mir scheint, die beiden Gewerkschaftsführer sind verdienstvolle ältere Herren aber keine Jungdynamiker mehr? Ausserdem kostet der Streik die CCOO und die UGT richtig Geld! Ich vermute mal, die sind auch nicht sooo flüssig?
Man musste solange warten, weil erstens die Reform gestern erst durchs Parlament gegangen ist und zweitens der Regierung eine gewisse Frist zur Gesprächsaufnahme gegeben werden sollte. Dass die Entscheidung heute fiel, war also längst klar.
UGT und CCOO sind schon eine ziemliche Macht in Spanien, compadre, nicht unterschätzen. Cándido Méndez beispielsweise mag kein Youngster mehr sein, aber ein sehr rationaler und entschlossener Mann, der keine Angst vor niemandem hat. Auch deren Kassen sind nicht ganz ohne. Der erste Generalstreik wird keine Wende bringen, aber es ist ja auch erst der erste. Schauen wir mal …
Ich sehe das momentan noch skeptisch. Bei uns im Dorf nähe Alicante sind die Leute noch dermaßen satt und weltfremd – die meisten Leute träumen noch in den Tag hinein und interessieren sich für gar nichts. Den geht es wirklich noch viel zu gut.
Aber das ist hoffentlich hier nur eine Ausnahme und der Rest Spaniens darbt wohl doch schon wesentlich mehr, hat weder großartige finanzielle Reserveren noch ein sonstiges reiches Umfeld. Ich frage mich oft, wann unsere Alicantiner endlich aufwachen.
Bei den Lokalwahlen vor einem Jahr herrschte pure Ignoranz, Bürger wurden teilweile von PP-Leuten (Konservative) am Arm zur Wahlurne begleitet, bis sie das richtige Kreuzchen gemacht hatten. Bisher hat sich bei uns noch nichts geändert. Business as usual wie auf einer Insel der Glückseligkeit. Es ist zum verzweifeln. Das Bildungsniveau ist grottenschlecht. Was können wir da auch erwarten? Die Krise ist schon schlimm, aber wohl leider noch längst nicht schlimm genug…
DonDom, ob Russland oder Spanien, der Protest beginnt nirgendwo auf dem Dorf. Man wird auf die grossen Städte vertrauen müssen für den Anschub.
https://uhupardo.wordpress.com/2012/03/11/500-000-demonstrieren-in-madrid-gegen-arbeitsmarktreform/
So wie ich Gewerkschaft begreife, sollten jetzt alle Europäischen Gewerkschaften solidarisch sein und ebenfalls den Generalstreik ausrufen.
Aber wenn ich mir die vollgefressenen Gewerkschaftsbosse hier anschaue die vor allem das Wachstum der Unternehmen im Blick haben sehe ich da schwarz.
So lange sich die Unternehmen weltweit organisieren und dadurch alle Hemmungen aufgeben sind sie immer den kleinen Leuten weit voraus.
Blöderweise sind in Deutschland Generalstreiks nicht gesetzeskonform, genau so wie die Volksbefragung, was unserer diktatorischen Führungsriege sehr gelegen kommt.
Die deutschen Gewerkschaften sind SPD hörig, von denen ist NICHTS zu erwarten. Das erschwert die organisierten Proteste in Deutschland ungemein!
In Deutschland ist der Generalstreik per Gesetz ausgeschlossen, warum wohl?
Ja, und die Gewerkschaftsbosse sitzen mit in den Aufsichtsräten! Wessen Interessen also vertreten sie?
Da hast Du auch den Grund, warum es keinen Aufschrei der Gewerkschaften gegen das Lohndumping gibt…
Immer alles schön zerfasern, nur keine Einigkeit ermöglichen!
Meine Solidarität gehört Euch, Menschen in Spanien!
Klar weiss ich, dass Deutschland beim Streikrecht eine Bananenrepublik ist.
Die Staatsgründer haben sich sich schon was dabei gedacht, waren wohl doch nicht die großen Demokraten wie sie immer dargestellt wurden.
Ich sehe Streik und auch Generalstreik als legitimes Recht der Arbeiter, und das überall auf der Welt.
Wenn alle so denken, bloss zu machen was in den Gesetzen steht, hätte die Französische Revolution immer noch nicht statt finden können und die DDR würde es auch noch geben.
[…] wo die Konservativen derzeit mit absoluter Mehrheit regieren. Rajoy wird sich allerdings deswegen am 29. März dem ersten Generalstreik stellen müssen. Bewerten: Share […]
[…] in Spanien intervenieren und das würde dann in jedem Fall unerträgliche Kürzungen bringen. Da bringen Generalstreiks gar nichts, denn hier bestimmt nicht die Regierung sondern die Techniker aus Brüssel, und die stellen sich in […]
Was genau ist denn dann alles von dem Streik betroffen? Vom Flugverkehr habe ich ja schon gehört, so gut wie alle Tankstellen sollen auch geschlossen haben, weiß da jemand genaueres?
Betroffen sein wird ziemlich alles – ausser den etwa 400 Firmen, deren Chefs ihre Mitarbeiter erpressen, nicht am Generalstreik teilzunehmen. Gegen diese Firmen, die von den Gewerkschaften namentlich aufgelistet wurden, werden jetzt juristische Schritte eingeleitet.
[…] wird (selbst daran zweifeln wir inzwischen), aber spätestens im September wird es den nächsten Generalstreik und unzählige weitere massive Protestveranstaltungen geben. Die Regierung bekommt keine Ruhe mehr, […]
[…] wird (selbst daran zweifeln wir inzwischen), aber spätestens im September wird es den nächsten Generalstreik und unzählige weitere massive Protestveranstaltungen geben. Die Regierung bekommt keine Ruhe mehr, […]