Zehntausende Canarios protestieren gegen Ölbohrungen

Auf allen Inseln feierten die Bewohner der Kanarischen Inseln gestern eine bittere Fiesta. Einerseits fröhlich lachend, weil man halt so ist, wie man ist; andererseits unendlich enttäuscht und vor allem sehr zornig: Zehntausende zogen durch die Strassen von Las Palmas, Arrecife oder Puerto del Rosario und brachten lärmend ihren Unmut zum Ausdruck. Sie wollen immer noch nicht glauben, dass es ausgerechnet der Madrider Tourismusminister, ein Canario, bewerkstelligen soll, die Ferien-Inseln dem grössten Risiko aller Zeiten auszusetzen: José Manuel Soria ist jetzt der Erzfeind – und er bekommt es zu spüren. „Soria – komm bloss nicht zurück“, droht das Plakat dem Ölminister unverhüllt.

 

„Noch niemals vorher waren auf Fuerteventura so viele Menschen auf der Strasse“, versicherte der Inselpräsident von Fuerteventura, Mario Cabrera, als sich 10.000 Menschen versammelten und immer kamen noch mehr, „die Solidarität der Bevölkerung ist unglaublich, das braucht es jetzt aber auch.“ Viel mehr noch waren es auf Lanzarote, der Insel, die schon seit Jahrzehnten das grösste Protestpotential entwickelt, wenn es um Umweltverbrechen geht. Das geht nicht zuletzt auf die Rechnung des 1992 verstorbenen Künstlers César Manrique, der das Bewusstsein der Menschen geprägt hat wie kein anderer. Knapp 25.000 Demonstranten waren es auf dem 60 x 20 km kleinen Eiland, die in der Hauptstadt Arrecife gehörig einheizten.

 

„Ich fasse es nicht“, sagt eine 82-jährige Frau in Las Palmas zum Uhupardo, „das wollte ich nicht mehr erleben. Wie diese Verbrecher es schaffen, unsere Insel dieser Ölschmiere auszusetzen, nur um sich die Taschen zu füllen, kann einfach nicht wahr sein. José Manuel Soria sollte sofort zur unerwünschten Person erklärt werden. Ich kann nicht so gut laufen und war noch nie auf einer Demo, aber heute bleibt mir doch gar nichts anderes übrig!“ Die alte Dame ist sichtlich wütend, dreht sich um und schreit: „Petroleo NO! Soria traidor – no vuelvas!“

 

Nicht nur auf den Inseln, auch in der Innenstadt von Madrid und sogar in Italien gab es gestern Demonstrationen gegen die Ölbohrungen auf den Kanarischen Inseln, die von der Madrider Zentralregierung unter Federführung des kanarischen Ölministers soeben genehmigt worden waren. Der einzige Wermuthstropfen: Der Präsident der kanarischen Regierung, Paulino Rivero (Coalición Canaria), der in den letzten Tagen besonders intensiv gegen die Probebohrungen gewettert hatte, liess sich bei keiner Demo blicken. Das brachte ihm sogar eine Ohrfeige seiner Gegner von der konservativen Madrider Regierungspartei Partido Popular (PP – Partido Petroleo, wie sie jetzt auf den Kanaren einhellig heisst) ein: „Elender Feigling!“

 

21 Kommentare zu “Zehntausende Canarios protestieren gegen Ölbohrungen

  1. Ich solidarisiere mich ausdrücklich mit den Canarios!

  2. Ein schoener Artikel. Ich war auf Lanzarote den Traenen nahe, als ich die versammelten Menschenmassen erleben durfte gestern Abend! Weiter so. Vernetzen, teilen, verlinken – das ist die Chance, die wir heutzutage tatsaechlich haben, uns ein Mitspracherecht friedlich zu sichern!

    Ein paar Impressionen von gestern Abend auf Lanzarote gibts auf der facebook-Seite

    http://www.facebook.com/magic.lanzarote.aktion

    und auf dem Kuenstlerportal

    http://www.magic-lanzarote.net

  3. fischi sagt:

    Wenn die Bewohner nur alleine protestieren wird es warscheinlich so ausgehen das die Regierung das aussitzt.
    Hat sich überall als die einfachste Methode erwiesen.
    Aber einen Vorteil im Kampf haben sie das sind die vielen Urlauber.
    Die müssen irgendwie mit aktiviert werden.

  4. Stephan sagt:

    Ja die Urlauber müssen mit ins Boot geholt werden. Was da an Steuereinnahmen „flöten“ gehen würde, wenn diese ausbleiben. Aber das schädigt ja auch wieder die Inselbewohner! Aber vielleicht kann man Unterschriften über das Netz sammeln und damit seine bevorstehende Entscheidung, nicht mehr zu kommen, mitteilen!

  5. prosanktart sagt:

    Reblogged this on POH.

  6. Wolfgang Meyer sagt:

    Die Frage ist, was kommt jetzt. Die Demonstration war ein guter Anfang. Aber kann man danach einfach wieder so zur Tagesordnung übergehen? Die Unterschriftenaktion ist ein nächster Schritt.
    Welche Pläne oder Möglichkeiten gibt es noch, um dieses unmögliche Unternehmen noch zu stoppen, bzw. um seinen Protest deutlich zu machen?

    Wolfgang Meyer

    • uhupardo sagt:

      Jeder Brief an einen EU-Abgeordneten (am besten an „Ihren“EU-Abgeordneten), an einen grossen deutschen Reiseveranstalter, hilft in der Sache. Jede Beschwerde jedes Touristen, der auf die Kanaren fliegt, hilft. Beim Hotelchef, beim Bürgermeister oder (meine Version) Anzeige bei der Polizei gegen den Minister wegen Zerstörung eines Lebensraums; die können noch so blöd schauen, aufnehmen werden und müssen sie es.

      Ausserdem gibt es noch anderes Störfeuer, aber das kann man hier nicht beschreiben.

  7. pedrico sagt:

    Komme seit 1975 nach Lanzarote und habe die Verschmutzung der Strände durch Altöl, das von vorbeifahrenden irgenwo Schffen abgelassen wurde und auf Lanzarotes Strände landete, erlebt. Man brauchte wöchentlich 250 g Butter um seine Füsse von dem Dreck zu reinigen. Dank der atlantikweiten Luftüberwachung ist das Problem seit den 80er „gelöst“.
    Eine Ölsuche vor der Insel würde die Gefahren, dass sich das wiederholht geradezu herauf bewchwören. Die Natur der Insel ist durch den immer weiter zunehmenden Tourismus belastet genug.
    An alle verantwortungsvollen Politiker in Europa:
    Lasst den Wahnsinn nicht zu!

  8. Ich halt das nicht aus! Bin gerade meine Habseligkeiten am verflüssigen um mit meiner Frau nach Gran Canaria, der Insel des ewigen Frühlings, der sauberen Luft und der intakten Umwelt wegen überzusiedeln. Kleine Finca für den Lebensabend. Und jetzt das. Schade, schon viel Zeit und Geld investiert, aber das brauchen wir absolut nicht. Jetzt geht die Suche von vorne los. Buenas noches Kanaren!

  9. […] Manuel Soria, Ölminister und inzwischen Erzfeind der Canarios – also seiner Landsleute, die sich längst für ihn schämen -, ist heute unfreiwillig zur Projektionsfläche geworden. […]

  10. Don Furioso sagt:

    Diese Solidarität, die bis zu den Straßen von Madrid reicht, gibt mir viel Zuversicht, was Spanien betrifft.

  11. […] Schon in der vergangenen Woche hatte Spaniens Industrieminister José Manuel Soria – derselbe, der auch die ölbohrungen vor der kanarischen Küste durchpeitschen will -, Argentinien vor den negativen Konsequenzen einer Verstaatlichung der Repsol-Tochter gewarnt. “Die spanische Regierung verteidigt die Interessen aller spanischen Unternehmen im Inland und Ausland”, sagte der Minister. Damit hat er zweifellos Recht, hätte allerdings ein “nur” einfügen sollen: “Die spanische Regierung verteidigt nur die Interessen aller Unternehmen …” wie Soria, der auch Tourismusminister ist, in der Sache Kanarische Inseln eindrucksvoll beweist. […]

  12. […] * Demokratie gegen das Volk: Madrid genehmigt Ölbohrungen neben den Kanarischen Inseln * Zehntausende Canarios protestieren gegen Ölbohrungen * Ölbohrungen bedrohen Wasserversorgung von Lanzarote und […]

  13. […] gewesen. Eine Gruppe von Menschen hatte sich spontan zu einer Demo zusammen gefunden, um gegen die Ölbohrungen unweit der Strände zu protestieren. Eine vollkommen friedliche Veranstaltung, bei der niemand Gewalt anwendete, die Polizei keinerlei […]

  14. […] gewesen. Eine Gruppe von Menschen hatte sich spontan zu einer Demo zusammen gefunden, um gegen die Ölbohrungen unweit der Strände zu protestieren. Eine vollkommen friedliche Veranstaltung, bei der niemand Gewalt anwendete, die Polizei keinerlei […]

  15. […] Paulino Rivero, der Chef der kanarischen Regierung hatte sich auf den Inseln über Wochen bei keiner der vielen Demos gegen die Madrider Entscheidung sehen lassen – er selbst fehlte auch in Houston, liess sich […]

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