S&P stuft elf spanische Banken herab … und Rajoy versteht die Welt nicht mehr

Die spanischen Banken könnten nach den französischen Wahlen „gerettet“ – also mit Geld überschüttet – werden, hatten wir vor wenigen Tagen vermutet. Wie es aussieht, läuft es genau darauf hinaus. Heute hat die Rating-Agentur Standard&Poor´s elf spanische Banken herabgestuft, darunter auch die grossen Geldhäuser Santander und BBVA. Um Rajoys konservativer Regierung die Schmach zu ersparen, den Staat „retten“ zu müssen, davon gehen wir weiterhin aus, wird man den Banken Mitte Mai Milliarden schicken und sie unter den „Rettungsschirm“ schlüpfen lassen.

Santander und Banesto wurden von „A+“ auf „A-“ abgestuft; die grosse Bank BBVA von „A“ auf „BBB+“; Sabadell von „BBB-“ auf „BB+“; Bankinter, Ibercaja und Kutxabank werden nun mit „BB-“ eingestuft und Barclays mit „BBB+“. Standard&Poor´s setzte ausserdem die Zukunftsprogose anderer Banken auf negativ. Insgesamt in etwa das erwartete Panorama, dass eine „Bankenrettung“ offensichtlich vorbereiten soll, die sicher erst nach dem französischen Wahltermin greift.

Währenddessen summieren sich die schlechten Nachrichten aus allen Landesteilen jeden Tag zu einer langen Liste. Die Regierung der Kanarischen Inseln sieht sich gezwungen, die Mehrwertsteuer der (Sonderzone) Canarias um zwei Punkte anzuheben, weil man den Inseln in Madrid so viel Staatsfinanzierung entzogen hat. Auf den Balearen werden in Palma de Mallorca zwei Krankenhäuser geschlossen (Juan March und General) und die Arbeitszeit der Beamten ausgeweitet.

In Aragón werden ab sofort keine Schwangerschaftsunterbrechungen (bisher 2.000 jährlich) mehr auf Kosten der Krankenkassen durchgeführt, die Frauen müssen selbst dafür zahlen. Die einzelnen Regionen Spaniens versuchen verzweifelt, die Sparvorgaben einzuhalten, die man ihnen aus Madrid diktiert hat. Dabei sind tiefgreifende Einschnitte ins soziale Netz an der Tagesordnung. Für den kommenden Freitag hat Rajos Regierung „Liberalisierungen“ im öffentlichen Transport angekündigt, zunächst ohne Spezifizierungen. Die nächsten Einschnitte werfen also bereits ihre Schatten voraus.

Bei alledem sieht die Regierung entschlossener aus, als sie in Wirklichkeit ist. Aus Rajoys Umfeld weiss man, dass der Regierungschef tief verunsichert ist. Während er zusehen muss, wie seine Partei in den Umfragen abstürzt (neun Prozent seit der Wahl), versteht er die Welt nicht mehr. Er hat doch alles getan, so glaubt er, um die vor allem von Deutschland vorgezeichnete Sparpolitik umzusetzen, hat in Rekordzeit Reformen beschlossen, mutige Einschnitte gewagt. Und trotzdem muss Rajoy erkennen, dass all das bisher nichts nützt. „Die Märkte“ fassen kein Vertrauen, die Staatszinsen bleiben auf gefährlich hohem Niveau, die Inlandsnachfrage bricht weiter ein, immer mehr Arbeitsplätze gehen verloren.

Zu allem Überfluss kündigte Bundeskanzlerin Merkel soeben auch noch eine „Wachstums-Agenda“ an – und Rajoy musste sich von der Madrider Opposition daraufhin ins Stammbuch schreiben lassen, dass ihn sogar seine Zuchtmeisterin inzwischen im Regen stehen liesse mit den brutalen Sparprogrammen. Rajoy hat´s nicht leicht derzeit.

8 Kommentare zu “S&P stuft elf spanische Banken herab … und Rajoy versteht die Welt nicht mehr

  1. Ich denke, der Herr Rajoy weiß alles und kennt den Fahrplan und spielt einfach den Kasper.
    Die lügen doch, wenn sie den Mund aufmachen.

  2. uhupardo sagt:

    Das kann sein, Solveigh. Es sieht aber – nach Rajoy-Aussagen gegenüber seinen eigenen Parteikollegen – durchaus so aus, als bröckle sein Weltbild der neoliberalen Rezepte gerade gewaltig. Offensichtlich war er wirklich sicher, dass sein radikales Sparprogramm der sozialen Einschnitte „die Märkte“ beruhigen und „Vertrauen“ schaffen würde. Dass das so ganz anders läuft, scheint er schwer zu verkraften.

    • So leid es mir tut, dann muss ich mich fragen, wo dieser Mensch lebt? Merkt er nichts?
      Das wäre dann ein Zeichen dafür, dass er völlig den Boden unter den Füßen verloren hat und nicht weiß, was gerade passiert…
      Hat er nicht beobachtet, was mit Griechenland geschah?

      • uhupardo sagt:

        Es ist schwer für mich, Solveigh. Ich möchte gern daran glauben, dass einige Herrschaften durch jahrzehntelange neoliberale Gehirnwäsche derart durchweicht worden sind, dass sie es wirklich nicht begreifen. Im Fall Rajoy sieht es tatsächlich so aus – bei anderen sicher nicht.

  3. fischi sagt:

    Ich habe heute den Artikel über die SOO harmlosen Ratingagenturen gelesen.
    Ist zwar etwas lang dafür verständlich geschrieben.
    Kann ich dem Herren Rajoy auch empfehlen.

    http://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2012/april/der-rating-komplex

  4. Don Furioso sagt:

    Es wäre erfrischend, wenn ein Staatsmann zur Abwechslung mal sein Weltbild mithilfe der Realität rekalibrieren könnte, und dann auch noch die „cojones“ hätte, Kurskorrektur vorzunehmen. Was für ein Mensch ist Rajoy eigentlich?

    • uhupardo sagt:

      Versuch einer Antwort:
      Wegen fehlenden Charismas hat Rajoy aus dem Begriff Beharrlichkeit seine politische Tugend gemacht. Galizier, Sohn und Enkel von Juristen, praktizierend katholisch, in einer Jesuiten-Schule gewesen und Jus studiert. Der Ziehsohn von Aznar 1996 – 2004, aber in die Politik gekommen an der Hand des (unsäglichen) Manuel Fraga Iribarne. Rechts von Rajoy ist also von klein auf nur noch die Wand.

      „Ausrechenbar, patriotisch, unabhängig und moderat“ möchte er gern sein: „Von meinem Vater habe ich den Sinn für Recht und Ordnung, für die Gerechtigkeit und die Anstrengung gelernt.“

      Politisch bleibt er gern so lange wie möglich in der Beliebigkeit, um sich erst ganz spät festzulegen (das Gegenteil von „ausrechenbar“). Im gesamten Wahlkampf hat er praktisch gar nichts gesagt, zu keinem einzigen Thema. Er umgibt sich lieber mit seinem engsten Zirkel als mit Öffentlichkeit.

      Rajoy ist praktisch der Antikandidat. Intellektell kein besonderes Licht, nicht medienwirksam, sein Sprach-Handicap hilft auch nicht mit, kaum Ausstrahlung – sein Wahlsieg ist ein Sieg seiner Beharrlichkeit, seiner Ausdauer und der absoluten Treue zu den Methoden von José María Aznar.

  5. […] man der verqueren Logik der “Finanzmärkte” folgen mag. Wie wir mehrfach und zuletzt in diesem Artikel vorausgesagt hatten, wird die spanische Regierung die Banken direkt nach den französischen Wahlen […]

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