ESM und Fiskalpakt verabschiedet – jetzt geht es um Tante Elli und Onkel Willi

Jetzt haben sie es also wirklich getan: Gegen Mitternacht wurden ESM und Fiskalpakt auch von der Länderkammer mit Zweidrittel-Mehrheit beschlossen, nachdem vorher schon der Bundestag zugestimmt hatte. Doch ist der Drops noch nicht gelutscht!  Das Verfassungsgericht muss über die Eilanträge entscheiden, die Widerspruch einbringen. Erst danach könnte (und wird wohl) Bundespräsident Joachim Gauck unterschreiben. Und was dann?

Nun, dann müssen alle Länder die Ausgabenbremse national rechtlich bindend verabschieden. Das wird auch beobachtet und geprüft. Einhalten müssen sie die Selbstverpflichtung dann nicht, denn das steht nicht im Fiskalpakt, was aber niemanden zu stören scheint und im Getümmel der stets verspäteten hektischen Reaktionen nicht weiter auffällt. Sigmar Gabriel wies Merkel heute Abend darauf hin, dass sie gestern in Brüssel „exakt das Gegenteil“ dessen vereinbart hatte, was nun in Bundestag und Bundesrat in einem bereits veralteten Gesetz beschlossen wurde. Das wird noch vergnüglich, denn im Prinzip müsste die Regierungsmannschaft, sobald die Brüsseler Neuerungen des ESM wieder im Parlament zur Abstimmung stehen, geschlossen dagegen votieren.

 

Das Ganze ist so kurios und so derartig hilflos, dass man durchaus drüber lachen kann, wenn man seinen Wohnsitz nicht in Deutschland hat. Man muss sich das vorstellen – eine der Äusserungen der Oppositions-Parlamentarier auf den Fluren von Berlin war heute: „Wir wollten die Abstimmung heute erst verschieben, nach dem, was in Brüssel gestern passiert ist, aber das würde die Märkte am Montag hypernervös machen.“ Einmal mehr wird deutlich, wer wirklich regiert. Nur nicht die Börsen, die am Freitag nach dem Gipfel schon die Champagnerflaschen köpften, jetzt wieder beunruhigen!

Das Treffen in Brüssel war definitiv ein Endspiel um den Euro. Ohne konkrete Beschlüsse wäre das Spiel vermutlich jetzt schnell vorbei gewesen, denn den ESM gibt es noch ein paar Wochen lang nicht, und ohne dieses Instrument steht keinesfalls genug Geld zur Verfügung, um die Angriffe der Märkte auf Spanien und Italien, die zusammen 25 Prozent des europäischen BIP bilden, abfangen zu können.  Jetzt mag es noch eine Weile gehen mit dem Risikomanagement-Pingpong in Europa.  Die Finanz-Oligarchie wird jubeln, weil die Milliarden an die Banken demnächst direkt fliessen dürfen ohne den Umweg über den Staat.  Das ist technisch gesehen zwar richtig, weil sonst ständig Banken und Staat „gerettet“ werden müssen, ist aber natürlich die noch perfektere Bereicherungsmaschine für die Banken.

mallball
Beinharte Diskussionen am Ballermann: „Wie stellt ihr euch Europa vor?“

Jetzt darf man auf die nächste Show gespannt sein.  Praktisch alle sind sich darüber einig, dass man nun die Bürger fragen müsse, welches Europa sie in zehn oder 20 Jahren gerne sehen würden.  Oder deutlicher:  Tante Elli und Onkel Willi, die über Jahrzehnte bewusst politisch dumm gehalten wurden, „weil das alles viel zu komplex“ und viel besser in der Führungsschicht aufgehoben ist,  sollen sich jetzt überlegen, wie sie sich die Zukunft Europas vorstellen.  Na, herrlich!  Da sieht man schon begeistert die hitzigen Diskussionen auf deutschen Kegelbahnen und am Ballermann oder?  Jetzt plötzlich wird man sich darüber klar, dass die ganze Umgestaltung zu Ungunsten von Tante Elli und Onkel Willi leider, bedauerlicher- und dummerweise nicht ohne Volksabstimmungen zu machen sein wird.  Ganz böse Falle!

Nun kann man natürlich keinesfalls Jahrzehnte bewusster politischer Verdummung in einem oder zwei Jahre aufholen und ungeschehen machen, um die Bürger auf solche schwerwiegenden Entscheidungen vorzubereiten.   Aber wer will das denn auch?   Politisch interessiert und aufgeklärte Menschen würden in Zukunft garantiert Unannehmlichkeiten bedeuten.   Deswegen gewinnen die Medien jetzt noch mehr Wichtigkeit als sie bisher schon haben.   Um dem Kapitalismus keinen Ast in die Speichen zu werfen, wird man versuchen müssen, die Massenbeeinflussung zu perfektionieren und die lästigen Volksabstimmer in die genehme Richtung zu treiben, wenn es zum Beispiel darum geht, die Verfassungen zu ändern.

 

In solch einer Situation stört besonders das Internet enorm.  Immer mehr Menschen lesen unabhängige Blogs, beteiligen sich an Diskussionsforen und suchen sich ihre Informationen abseits der grossen Nachrichten-Autobahnen, die alle längst nicht mehr unabhängig sondern auf die eine oder andere Weise kapitalgesteuert sind.  Man darf sich deswegen getrost auf weitere und verstärkte Angriffe gegen die Meinungsfreiheit im Internet einrichten, wie es sie in letzter Zeit (ACTA und Co.) schon öfter gegeben hat.

27 Kommentare zu “ESM und Fiskalpakt verabschiedet – jetzt geht es um Tante Elli und Onkel Willi

  1. Ick hab‘ keene Spucke mehr, im Moment…
    Da können wir nur hoffen, dass der Euro schneller zusammenbricht als dieses Monster zum Leben erwacht!

  2. WsdV-Blog sagt:

    Ich muss auch gerad überlegen, nur mir fällt nichts dazu ein… Dein Text trifft es denke ich sehr gut!

    Ich glaube, da müssen wir wohl durch, bis die Michels erfahren, was aus einer „kleinen“ Änderung vor der Sommerpause für ein Monstrum entstanden ist, wobei ich doch sehr hoffe, dass dieses Ereignis nicht im Nachhinein als Heldentat dargestellt wird.

    • uhupardo sagt:

      „Ich glaube, da müssen wir wohl durch, bis die Michels erfahren, was aus einer “kleinen” Änderung vor der Sommerpause für ein Monstrum entstanden ist …“

      Um es zu erfahren, müssten sie sich erst dafür interessieren – alles viel zu lästig. Da ist es viel einfacher „wir zahlen nicht für Faulpelze“ zu brüllen oder?

      • WsdV-Blog sagt:

        Ja! Wahrscheinlich wird es scheinbar einfacher sein, am Ende wird es sich aber rächen. Da bin ich mir sicher. Mit welch einer Selbstverständlichkeit mal wieder die hohlen Phrasen wiedergegeben werden, ist sehr erschreckend.

        Jeder besteht darauf eine „eigene“ Meinung zu haben, dass sie aber nur den Müll(sorry) von sich geben, den sie von den Medien vorgegeben bekommen haben, scheint sie nicht zu stören.

        Ich kann nur mit den Kopf schütteln, wenn ich das gejammer über die Fußballspieler höre und am selben Tag wird unsere Land verschachert. Aber da müssen wir jetzt wohl durch. Mehrheit ist nicht gleich Mehrheit, ein wenig mehr Eigenverantwortung wäre angebracht.

        Wenn es zu einer Volksabstimmung kommt, dann wird es wohl noch unerträglicher, denn dann werden, so sag ich es mal voraus, die Medien und ihre Propagandamaschinerie in Hochform auflaufen. Das war bei der verbreitung der CO2 Hypothese os, das war bei Hartz4 so und und und…

        Die meisten Menschen merken in dem Hamsterrad gar nicht mehr, dass sie dort gefangen sind und es noch etwas anderes geben könnte, das Denken und Handeln läuft innerhalb dieses begrenzten Kosmos ab. Eigentlich wäre es so einfach, ist es aber anscheinend doch nicht. Einfach alle Dinge, die einem gesagt werden anzweifeln, fertig. Thesen aufstellen und sich Gedanken machen.

        Ich bin einfach nur entsetzt, wie eiskalt und dumm „unsere“ Politiker sind/entschieden haben!

        Nun ja trotz alledem, es geht weiter, irgendwie…carpe diem… 😉

        Beste Grüße an dich!

        • uhupardo sagt:

          „Wenn es zu einer Volksabstimmung kommt, dann wird es wohl noch unerträglicher, denn dann werden, so sag ich es mal voraus, die Medien und ihre Propagandamaschinerie in Hochform auflaufen. Das war bei der verbreitung der CO2 Hypothese os, das war bei Hartz4 so und und und…“

          Man kann das auch positiv sehen, wenn man will: Vielleicht wird jetzt endlich deutlich, dass es eben nicht reicht, ständig „Volksabstimmung“ zu brüllen und zu glauben, damit sei der Fisch vom Tisch. Das wäre die Chance zu erkennen, dass es politische Bildung braucht von Klein auf, um überhaupt eine Chance zu haben.

  3. Waffenstudent sagt:

    Nun gewinnen wir doch noch den letzten hundertjährigen Krieg:

    Denn nun, bei Versailles “3″, muß das Deutsche Volk anstatt werthaltiger Reparations-Waren, wie bei Versailles “1″ , in den Zwanzigern des letzten Jahrhunderts wertloses Reparations-Geld als Tribut abliefern. Und an diesem süßen Gift werden die Alliierten endlich verrecken.

  4. Andreas sagt:

    Was machen eure Regierungen alle wenn Deutschland mal das geld oder das Volk auf die barikaden geht und nichts mehr da ist ? Noch besser Deutschland geht unter den Rettungsschirm was dann , zahlt dann Frankreich/ Italien /Spanien/ oder andere . Ich hoffe mal das dann eure Regierungen genug Geld haben !

  5. […] Sie dazu auch: * ESM und Fiskalpakt verabschiedet – nun geht´s um Tante Elli und Onkel Willi Bewerten:Share this:TwitterFacebookDiggLinkedInRedditStumbleUponE-MailDruckenGefällt mir:Gefällt […]

  6. Kenny sagt:

    Genau diese Gedanken machte ich mir heute Früh zum Frühstück auch.
    Wie werden wohl die Medien aktiv werden im Bezug auf eine bevorstehende Volksabstimmung? Ich denke es wird ein medialer Propaganda Wahn(witz)sinn ausbrechen. In jedem TV-Format (Frühstücksfernsehen, Morgen-Mittagsmagazine, Lanz, Jauch, Sportsendungen, Doku- wie auch Daily-Soaps. Tartorte usw., werden Tante Elli und Onkel Willi latent, von den Nachrichten des Staatsfernsehen auch direkt, an die Hand genommen um für die „nötige Verfassungsänderung“ zu stimmen. Von den „Aufrufschlagzeilen“ der BILDbürgermedien mal ganz abgesehen.

    • uhupardo sagt:

      Zumindest gibt es gar keine andere Möglichkeit, wenn man genug Tante Ellis und Onkel Willis dazu bringen will, „richtig“ abzustimmen. Und diese Herrschaften bilden die weitaus absolute Mehrheit bei jeder Volksabstimmung.

  7. […] empfehle Euch, diesen Artikel von uhupardo (KLick), den Brief einer jungen Frau, die seit drei in Spanien lebt (Klick) und dieses Blog, eines von […]

  8. asch sagt:

    … wir – die BRD – hat keine Verfassung… also bitte mal etwas gründlicher recherchieren – danke.

  9. nicknack1103 sagt:

    …, ich habe keine Angst; ich bin hypernervös…, Staaten die Pleite sind, die muss man auch bankrottgehen lassen. Wie kann es sein, das wir uns in Brüssel erpressen lassen, dass ein Monti sagt; „Wenn Du mir nicht hilfst, dann kommt Berlusconi wieder“
    Das ist die eine Seite, die andere macht mir viel mehr Angst. Herbst 2013 in Deutschland und die SPD sollte die Bundestagswahl gewinnen. Was dann…??? Die waren doch Anfang der 2000’er Jahre verantwortlich dafür das z.B. Griechenland im Euro ist. Dann haben wir zu 100% die EuroBonds. Viel Spaß damit; ich stelle mir gerade vor wie ich bei meiner Hausbank versuche unter den Rettungsschirm zu kommen. Gruß

  10. ALT-F2 sagt:

    Der Wähler hat versagt,

    2009 wurde der Bundestag, mit zwar historisch niedriger Wahlbeteiligung von 70%, von den Ankreuzmaschinen in Amt und Würden gehievt.

    Die Amts und Würdenträger, denen es an Arroganz, Überheblichkeit und Selbstgefälligkeit nun wahrlich nicht mangelt, können sich aber – ZU RECHT – aus diesen 70% eine Legitimation für Ihr Handeln und Wirken herleiten.

    Sollten sich die Ankreuzmaschinen nicht eines Besseren besinnen, sind Diskussionen über ESM – ODER WAS AUCH IMMER – OBSOLET.

    Die Nomenklatura bestimmt wo#s lang-geht

  11. […] Sie dazu auch: * ESM und Fiskalpakt verabschiedet – jetzt geht es um Tante Elli und Onkel Willi * Wirtschaftswissenschaftler und Ökonom, die Dümmsten der Klasse Bewerten:Share […]

  12. Eduard sagt:

    Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann die ersten
    EUROPAFAHNEN in Deutschland wie in Griechenland
    brennen werden! So ein Europa haben weder de Gaulle,
    Adenauer noch wir hoffnungsvollen Bürger gewollt.
    Zu verdanken haben wir das einer inkompetenten, gierigen
    neoliberalen Politikerbande.

  13. Don Furioso sagt:

    Beim Anblick des Ballermann-Bildes war meine Reaktion „Autsch, wie treffend!“ Beim Volk und ihrer Elite, die es über den Tisch zieht, verhält es sich wie mit einem Alkoholiker und seinem co-abhängigen Partner. Beide haben irgendwie etwas von der Misere.

  14. […] ist u.a. deswegen besonders wichtig, weil allen nicht-systemgesteuerten Informationsquellen in den geplanten Volksabstimmungen zur Zukunft Europas besondere Wichtigkeit […]

  15. […] uhupardo: ESM und Fiskalpakt verabschiedet – jetzt geht es um Tante Elli und Onkel Willi […]

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