Alarmzustand in Rom

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In Italien brennt der Baum! Das ist die einzig sichere Aussage, denn alles andere sind eher Fragen und Unwägbarkeiten. Nach seinem Treffen mit Regierungschef Mario Monti sagte der Chef der Sozialdemokraten, Pier Luigi Bersani: „Wir haben zusammen beratschlagt. Alle Institutionen müssen jetzt alarmiert sein wegen der Markt-Turbulenzen. Wir stecken in einer sehr, sehr besorgniserregenden Lage!“ – Das ist tatsächlich so, denn Italien muss akut fürchten, mit Spanien zusammen aus dem Euro gewischt zu werden.

Premierminister Mario Monti hat heute ähnliche Sitzungen auch mit den anderen Parteivorsitzenden auf dem Terminkalender. Abgesehen davon, dass er sie über die kritische Lage informieren will, möchte er vor allem herausfinden, ob er noch mit ausreichender Unterstützung rechnen kann. Die bedrohliche Lage Spaniens könnte auch Italien hinweg fegen, das weiss Monti genau, besonders weil die politische Lage in Rom viel instabiler ist als in Madrid.

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Mario Monti bekommt weder die Arbeitsmarktreform noch das neue Wahlgesetz vom Tisch. Quertreiber ist besonders sein Vorgänger Berlusconi.

Die Parteien, die Montis Technokraten-Regierung stützen, waren überein gekommen, ein neues Wahlgesetz zu verabschieden. Doch der August naht, damit die Sommerpause des Parlaments, und vom Wahlgesetz ist weit und breit nichts zu sehen. „Wir akzeptieren nicht, dass das Parlament nächste Woche in Urlaub fährt“, wettert Bersani, „wir brauchen ein neues Wahlgesetz.“ Doch das verhindert einmal mehr Silvio Berlusconi, der alle zwei Wochen seine Meinung ändert. Der Generalsekretär von Berlusconis Partei Popolo della Libertà (PDL, Volk der Freiheit), Angelino Alfano, braucht sich schon nicht mehr dazu zu äussern, nachdem er kürzlich durch Berlusconis inoffizielle Ankündigung, er werde sich nächstes Jahr zum sechsten Mal zur Wahl stellen, lächerlich gemacht wurde.

Die Szene rundherum ist auch nicht besser. Am Montag demonstrierten die Bürgermeister derjenigen Gemeinden, die bald als lokale Verwaltung komplett verschwinden sollen, wenn es nach Monti geht, um Kosten zu sparen. Eine Streichungsmassnahme, die zwar viel diskutiert wird, aber sowieso zu spät kommt, wie der Vizepräsident der italienischen Gemeinden-Vereinigung und Bürgermeister von Pavia, Alessandro Cattaneo, erklärt: „Es gibt Gemeinden, einige grosse Städte eingeschlossen, die erhebliche Liquiditätsprobleme haben und bereits im August möglicherweise die Gehälter ihrer Beschäftigten nicht mehr zahlen können.“

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Silvio Berlusconi grinst sich eins und boykottiert alle Entscheidungen: Je schlechter es der Monti-Regierung geht, desto mehr Chancen hat der Freund schwerer Jungs und leichter Mädchen, im nächsten Jahr die Wahl zu gewinnen.

Doch nicht nur die Gemeinden sind in Schwierigkeiten. Premierminister Monti rang am Montag dem Regierungschef von Sizilien, Raffaele Lombardo, das Versprechen ab, am 31. Juli zurückzutreten und Wahlen anzusetzen. Hintergrund ist die ruinöse wirtschaftliche Situation der Insel, lange verdeckt durch einen Schleier sehr ominöser Finanztransaktionen.

Ausserdem sorgen die Staatsanwälte Italiens für sehr wirksame Oppositionstätigkeit, wenn es schon die Parteien nicht tun. Es gibt praktisch keinen Tag, an dem nicht ein neuer Fall aufgedeckt wird, der beweist, wie sehr die italienische Politik von Korruptionsstrukturen durchzogen ist. Von den Machenschaften Berlusconis und seiner Freunde im Zusammenhang mit der Mafia bis hin zum Regierungschef der Lombardei, dem sehr katholischen Roberto Formigoni, der nach etlichen Dementis jetzt doch vor dem Richter erkläre muss, warum er Multimillionen-Geschenke von Unternehmern bekam und welchen Sinn seine Schweizer Konten haben.

Mario Monti muss man eins lassen: Er bemüht sich zumindest, seine Bürger jeden Tag ausführlich darüber in Kenntnis zu setzen, wie die Lage ist und welche Massnahmen die Regierung in Rom trifft. Im TV erläutert er die jeweiligen Themen praktisch täglich und man spürt seinen Willen, das Volk zu informieren und mitzunehmen. Ein krasser Gegensatz zu Spaniens Mariano Rajoy, sei Wochen „Lost in space“, der Erklärungen nicht einmal für nötig hält, wenn er ausdrücklich danach gefragt wird, und seine Minister Texte sprechen lässt, die das genaue Gegenteil von „Information“ darstellen.

23 Kommentare zu “Alarmzustand in Rom

  1. Was sagt das italienische Volk dazu? Was nützt es den Italienern „informiert“ zu sein? Können sie bei der Lösung der inszenierten Krise mitbestimmen?

    • uhupardo sagt:

      Natürlich können sie nicht. Dennoch gibt es derzeit eine nahezu unglaubliche Diskrepanz zwischen dem Informationsfluss von Italien und Spanien. Das (nicht mehr) sollte vermerkt sein.

  2. Birthe Enbit sagt:

    Markt-Turbulenzen

    Das ist das einzige, was noch zu zählen scheint: der private Markt der Finanzmafia!
    Da spucke ich drauf, wie auf das Finanzpack!

  3. […] Weiterlesen bei Uhupardo → Share this:FacebookEmail This entry was posted in Banken-Mafia, Brot und Spiele, D(Ä)MOKRATIE, Lupo Cattivo, Wahrheit oder Lüge and tagged Aktuell, Aktuelles, Alessandro Cattane, Allgemeines, Alltag, eu, Euro, Eurokrise, Europa, Ferien, Finanz"krise", Gesellschaft, INTERNATIONAL, Internationales, Italien, Kapitalismuskritik, Korruption, Krise, Leben, Lombardei, Mariano Rajoy, Mario Monti, Nachrichten, News, Parlament, PDL, Pier Luigi Bersani, Politik, Raffaele Lombardo, Regierung, Roberto Formigoni, Rom, silvio berlusconi, sizilien, Sommerpause, Soziales, Spanien, Staatsanwalt, uhupardo, Wirtschaft, Wirtschaftskrise by admin. Bookmark the permalink. […]

  4. […] viaAlarmzustand in Rom « uhupardo. Share| Juli 26, 2012 at 7:21 pm by admin Category: Italien […]

  5. fischi sagt:

    Mir kommt es so vor als würde der Knoten um Deutschland immer schneller zugezogen.
    Das es in unserem Vorbild Niederlande auch gewaltige Probleme gibt, davon sprich schon keiner mehr.

    http://diepresse.com/home/wirtschaft/eurokrise/1269777/In-den-Niederlanden-droht-eine-Immobilienblase-zu-platzen

    Allerdings was mit Frankreich im Moment passiert da verstehe ich nicht warum die angeblichen Märkte dort noch keinen Frontalangriff machen.

    • uhupardo sagt:

      Frankreich ist ziemlich sicher erst dran, wenn Italien und Spanien gefrühstückt worden sind.

    • schmidtchen schleicher sagt:

      Hallo fischi,
      in diesem Zusammenhang ist die Werbung der holländischen Rabobank im deutschen Fernsehen (n-tv) bemerkenswert, in der sie für ihr Tagesgeldkonto Werbung macht. Die Werbung fällt mir seit ein paar Tagen auf. Ich kann mich nicht erinnern von dieser Bank jemals in Deutschland Fernsehwerbung gesehen zu haben.

  6. Johannes Eber sagt:

    Die Reihenfolge kann logisch nur sein: Griechenland – Spanien – Italien – Frankreich und dann die BRD GmbH. Draghi bietet das letzte Aufgebot wahrscheinlich „LTRO“ auf. Nackte Verzweiflung, dann ist aber Zahltag.
    Bei mir hat sich große Wut aufgestaut.

    • uhupardo sagt:

      Aber ist es denn nicht herrlich?

      Der Hohepriester Draghi sagt zwei Sätze ohne jeden Inhalt … und die ganze Kirche jubelt, die Riskoprämien sinken und die Börsen verwandeln sich in ein Feuerwerk.

      Religion pur.

      • fischi sagt:

        Das ist so krank!!!
        Alle die halbwegs noch normal sind, wissen, dass es gelogen ist.
        Was hat er denn gesagt, genau den gleichen Mist, der schon seit Jahren heruntergebetet wird.
        Und die Börsen gehen hoch da interessieren weder Wirtschaftsmeldungen oder irgendwie was anderes.
        Sowas ist doch so krank, verrottet, abartig.

  7. fischi sagt:

    Ich war mir jetzt nicht ganz sicher wie ich Hollande einschätzen soll.
    War doch der Meinung Frankreich wird bei der Wahl vorgezogen.

  8. King Balance sagt:

    “Die erste Generation verdient das Geld, die zweite verwaltet das Vermögen, die dritte studiert Kunstgeschichte und die vierte verkommt vollends…” – Otto von Bismarck

    In welcher Phase befinden wir uns gerade?

    Kleiner Tipp für Brüssel, Athen, Rom, und Berlin: Wenn einem das Wasser bis zum Hals steht, sollte man den Kopf nicht hängen lassen.

  9. henry sagt:

    …je beschissener es den USA geht, desto heftiger die angriffe auf den EURO…wenn der EURO plattgemacht ist, wahrscheinlicher GROSSKRIEG IN NAHOST…

    mfg.

  10. […] EU-Staaten wie Deutschland zu den Pleitestaaten geben. Und nach Griechenland und Spanien wird auch Italien immer mehr Geld brauchen. Dabei hilft die ganze Hilfe ja nicht. Der Fall Griechenland zeigt deutlich, dass Rettungspaket […]

  11. […] Doch Spanien ist nicht mehr zu retten: Man brauchte dafür schon wieder 650 Milliarden Euro, die schlicht nicht vorhanden sind. EZB-Chef Draghi arbeitet jetzt nicht mehr im Sinne der Deutschen, sondern nur noch im Interesse der Pleitestaaten in der EU. Die EZB ist jetzt ein Trojanisches Pferd. Es wird eine gewaltige Umverteilung in der EU von einst wohlhabenden EU-Staaten wie Deutschland zu den Pleitestaaten geben. Und nach Griechenland und Spanien wird auch Italien immer mehr Geld brauchen. […]

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