Das Wort hat der Herr Minister … nicht

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Nach zwanzig Minuten hat er definitiv aufgegeben, der Herr Minister, und fuhr unverrichteter Dinge wieder nach Hause. José Ignacio Wert wollte heute Abend einen Vortrag in einem Hotel in Sevilla halten. Er kam nicht dazu. Etwa 100 (nicht-)Zuhörer liessen ihn gar nicht erst zu Wort kommen. Der spanische Minister für Bildung, Kultur und Sport hat keine guten Karten mehr in der Bevölkerung. Zum Beispiel seine Bestrebungen, die Staatsbügerkunde zugunsten von Religionsunterricht zurück zu drängen, verzeiht man ihm nicht.

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Abends um 20 Uhr war sein Vortrag angesagt. Mit der akademischen Viertelstunden-Verspätung erschien der Herr Minister dann auch am Mikrophon in Sevilla. Ab Sekunde 1 schallten ihm Parolen entgegen wie „Wert escucha, Sevilla está en la lucha“, „Esto nos pasa por un Gobierno facha“ oder „Wert dimisión“. Die Ordnungsrufe des Personals der organisierenden Zeitung „El Mundo“ (Haus- und Hoforgan der konservativen Madrider Regierung) verhallten ungehört; auch die Bitten des Ministers brauchten kein Ergebnis. „Den muss man nicht ausreden lassen, wir wissen längst zur Genüge, auf welcher katholisch-neoliberalen Welle Wert schwimmt“, hiess es im Publikum.

José Ignacio Wert hatte keine Chance auf Vortrag heute Abend in Sevilla und gab nach 20 Minuten entnervt auf.  Geht doch nicht, man muss jeden ausreden lassen in einer Demokratie, jedem zuhören.  Muss man wirklich? Was meinen Sie?

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19 Kommentare zu “Das Wort hat der Herr Minister … nicht

  1. krisenfrei sagt:

    Super, liebe Spanier.
    Ähnliches widerfuhr Merkel in Stuttgart auch schon mal.
    Weiter so!
    Den Berufslügnern muss klar aufgezeigt werden, dass wir es satt haben, deren Lügen noch länger zu ertragen.

    • Unsere allseits beliebte Kanzlerin hat aber ihre Rede ungerührt gehalten, die keiner verstanden hat, als gäbe es den Lärm nicht…
      Ihre Strategie heißt: aussitzen. Wenn ich das öfter so mache, sind die auch irgendwann stille?

      Sind sie?

      • Kurt sagt:

        Wenigstens macht Frau Merktnix ihrem Namen alle Ehre.

        Auslachen der Politclowns ist übrigens auch eine gute Strategie, macht bessere Laune als ausbuhen. Hauptsache ist jedenfalls, endlich zu widersprechen. Wer will deren Gesabber noch hören?

        • Richtig.
          Und in der Universität, wo die Misere (unser so genannter „Verteidigungsminister“) reden wollte, ist der auch nicht zu Wort gekommen, der hat seine Rede nicht gehalten. „Es hatte keinen Zweck.“ Er IST ausgelacht und niedergeklatscht worden!

        • Ulrich Fiege sagt:

          „Hauptsache ist jedenfalls, endlich zu widersprechen“

          Das war mit 6 Worten auf den Punkt gebracht, Gracias, das war Spanisch für „Danke“, denke ich?

        • Philipp sagt:

          Wie willst du widersprechen, wenn du nicht zuerst zuhörst. Ich finde das zu billig, wenn man pauschal sagt:“Egal was der sagt, wird schon falsch sein!“. Sich hinterher kritisch mit dem Gesagten auseinander zu setzen, böse Nachfragen zu stellen und per Blog, Facebook, was-auch-immer Gegenmeinungen zu publizieren halte ich jedenfalls für den überzeugenderen (und demokratischeren) Ansatz.

          • Ramón Rodríguez sagt:

            In dieser Situation in Spanien, die man genau kennen muss, um das beurteilen zu können, haben die Zuschauer genau richtig gehandelt.

          • fakeraol sagt:

            Und fragst Du Dich garnicht, von wem das Volk das gelernt hat, nicht zuzuhören? 😉 *aufs Rednerpult schiel*

            • Philipp sagt:

              Ich behaupte ja nicht, dass Herr Ignacio ein Musterbeispiel vornehmer Diskussionskultur ist. Bloß sollte man auf schlechte Manieren nicht mit noch schlechteren reagieren – zumindest, falls man an produktiven Lösungen interessiert ist.

              • Uhupardo sagt:

                Das kommt sehr darauf an, um wen es geht. Um ein Beispiel zu geben: Es hätte von diesem Stuhl aus gesehen keinerlei Sinn ergeben, Jörg Haider zuzuhören und ihm mit mehr „Diskussionskultur“ zu begegnen, als er selbst aufbrachte. Wie viel also wissen Sie von Minister Wert?

              • fakeraol sagt:

                „produktive Lösungen“? Von wem? Erarbeitet mit wem? Umgesetzt von wem? Von Beckstein, de Maizière, Ignacio, Schäuble, Merkel, Rössler, Westerwelle, Roth, Tritin, Schröder, ….., …., … ?
                Ich frage nochmal: von wem hat dieses Volk das nur gelernt, NICHT ZUZUHÖREN?

                Wie Stefan Raab immer sagt: „Wir haben doch keine Zeeeiiit!!“ (.. mehr. für noch einen Versuch, mit diesen Gestalten zu reden und zu hoffen, das sie UNS endlich mal zuhören).

                • Philipp sagt:

                  Okay, ihr wollt also nicht mehr zuhören.
                  Was ist euer Plan? Weghören, und hoffen, dass es dadurch besser wird? Ich bin Optimist, aber das erscheint mir kein sehr zielführender Plan…

                • Uhupardo sagt:

                  „Okay, ihr wollt also nicht mehr zuhören.“

                  Sie stellen Fragen, beantworten aber keine.
                  Pauschalisieren hilft nicht. Es geht nicht um „nicht mehr zuhören“, sondern um „nicht Zeit und Kraft verschwenden, den falschen Leuten zuzuhören“. Es gibt ausreichend lohnende Zeitgenossen, die diese Aufmerksamkeit verdienen.

  2. Mirabai sagt:

    Auch de Maizière kann von bürgerlichem Ungehorsam ein Lied singen – in der Uni Leipzig wurde er bei einem Vortrag im vergangenem Dezember „weggeklatscht“. Zu viel Begeisterung für den Minister!

    • fakeraol sagt:

      Wie nennt man das? „das Gesicht zur Faust geballt, ein Lächeln in der Hand“?
      ja, es ist schon ein Kreuz mit diesen undankbaren aufmüpfigen Untertanen ..

  3. bodenfrost sagt:

    Beckstein hat vor kurzem in Bremen ähnliches erlebt:

    „Antirassistische AktivistInnen verhindern eine Diskussionsveranstaltung mit Günter Beckstein. Die Aktion nahm den Vetretern der Partein die 1992 den „Asylkompromiss“ entschieden und damit faktisch das Asylrecht abschafften das Podium.“

    Es gibt definitv Gestalten, denen nicht anders klarzumachen ist, dass man ihre Positionen ablehnt. Aber wahrscheinlich verstehen diese auch solchen Protest nicht und übergießen sich stattdessen in ihrem Elfenbeinturm mit Selbstmitleid.

  4. Reblogged this on Enough is Enough! und kommentierte:
    Das Wort hat der Herr Minister … nicht

  5. Herr Neumann sagt:

    Was würde der Minister wohl denken wenn niemand da wäre um ihm zuzuhören?
    Ausbuhen ist primitiv und gehört bestenfalls auf den Sportplatz!
    Zur Not können die „Volksvertreter“ ja ihr Jubelpersonal aus den eigenen Reihen rekrutieren.
    In der BRD sind das Polizeianwärter, früher Wehrpflichtige.
    Das hat man wohl von der DDR übernommen, vom Sozialismus lernen heißt siegen lernen, ha,ha! Fragen Sie Frau Merkel, die kennt sich aus!

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