So führt man ein Interview mit einem Politiker! Gestern in der britischen „The Andrew Marr Show“ lieferte der Journalist Eddie Mair ein Musterbeispiel ab. Mit der Ausrede, über eine BBC-Doku reden zu wollen, nagelte er den Londoner Bürgermeister Boris Johnson auf dessen Verfehlungen fest. „Hier geht es um Ihre Integrität – warum haben Sie gelogen?“ Der Herr Bürgermeister wird diesen Albtraum-Morgen im Frühling kaum jemals vergessen.
Zuerst redet Johnson über Immigration und sagt das Übliche. Junge, talentierte, gut ausgebildete Reiche will man gern ins Land lassen, arme Schlucker keinesfalls. Der Journalist lässt ihn zuerst reden, damit sich der Politiker sicher auf seinem Stuhl fühlt – und begibt sich erst dann auf vermintes Terrain, bringt Johnson dazu zuzugeben, dass er früher bei der „Times“ Artikel mit falschen Zitaten „garniert“ hatte, weswegen er später rausflog. Und warum er seinen Parteichef belogen habe, insistiert Eddie Mair und schmettert alle Versuche des Bürgermeisters gekonnt ab, wieder zur Tagespolitik zurückkehren zu wollen.
Ein journalistisches Meisterwerk, wie es nur noch ganz selten eins gibt, aber jeden Tag dringend mindestens eins geben müsste, nicht nur in England!
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* Wie unabhängig sind die Medien wirklich?
Einfach wunderbar! „You’re a nasty piece of work, aren’t you?“ war für mich die Krönung. Vor allem schön, dass es gerade Johnson getroffen hat. Seine dummen und falschen Aussagen zu Hillsborough habe ich nie vergessen.
Boris Johnson möchte man nicht zum Freund haben, aber einen grossen Teil der Londoner Bevölkerung (= seine Wähler) dann bitte auch nicht.
Hier ging und geht es uns allerdings weit vorrangig um das journalistische Musterbeispiel, unabhängig von der Figur des Interviewten.
Schon klar und der hat das auch wirklich sehr, sehr gut gemacht.
Wie lange der Journalist noch seinen Job hat?
Der ist eine der wenigen grossen Ausnahmen und könnte es evtl. überleben.
Ein Meisterstück. Und ein Lehrstück über Körpersprache.
„Wie Unabhängig sind die Medien wirklich“? Das ist eine berechtigte Frage aber als Teil der ganzen Misere sollte man sie so nicht stellen? Nachdem ich mir den im Jahr 2006 geänderten Presse-Kodex angesehen habe und verglichen habe was da alles an Kleinigkeiten ge und verändert wurde, „Sind die Medien wirklich die Schuldigen“? würde ich vorschlagen aber mich frägt ja keiner.
Die Richtlinie 2,4 z.B. wurde dahingehend geändert das Journalisten sich nicht als solche zu erkennen geben, ein Interview muss nicht unbedingt autorisiert werden und das Interview ist vom Inhalt her nicht mehr geschützt denn der Journalist kann es mit eigenen Worten verdrehen und muss dabei nur die Quelle angeben. Richtlinie 2,5 besagt das wenn ich mich an meine Zeitung wende und Kritik an den seichten Umgang der Politik mit Rechtsextremen übe, als Leserbrief o.ä. sie jetzt auch meine Adresse veröffentlichen dürfen.
Eine Berichterstattung die das Persönlichkeitsrecht missachtet gibt es quasi nicht mehr, Richtlinie 3,3. Aber das die Recherche aus dem Presse-Kodex als „unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfaltspflicht“ komplett gestrichen wurde Richtlinie 4,1 ist ebenso Eigenartig wie auf der ersten Seite die Präambel die besagt, das Herausgeber, Verleger und Journalisten nicht mehr nur nach bestem Wissen und Gewissen publizieren, sondern vor allem „Fair“ berichten sollen, dann macht es auch Sinn das Werbung nicht unbedingt als Werbung gekennzeichnet werden muss. 16 Richtlinien auf 29 Seiten und aus 2006, wir schreiben das Jahr 2013 ich kam bis Seite 10, Scotty beam me up!
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