Angela Merkel hat kaum noch Freunde in Europa. Während in Deutschland die Furcht vor einer noch schärferen Euro-Krise wächst und die Opposition der Bundeskanzlerin vorwirft, sie belüge das Volk, wird besonders im Süden Europas die Kritik lauter. Der Erfüllungsgehilfe aus Paris wird dabei sogar verbal mit der Krisenkanzlerin verschmolzen.
Merkozy, so heisst es beispielsweise in Spanien, seien dabei, Europa mit Gewalt kaputt zu sparen. Wer denn wohl die exorbitanten deutschen Exporte kaufen solle, wenn nirgendwo mehr Geld ist, weil der Gürtel bereits im letzten Loch sitzt, fragt man sich in iberischen Breiten. Die deutschen Handels-Exportüberschüsse sind die Schulden der anderen. Die “Wirtschaftslokomotive” Deutschland wird auf dem Kontinent mehr und mehr isoliert. “In Europa wird wieder Deutsch gesprochen”, die historisch gewachsene Angst vor dem deutschen Grössenwahn ist wieder präsent.
1930 bis 1932 wurde gewaltsam mit allen Mitteln gespart, die Arbeitslosigkeit stieg auf sechs Millionen. Mitten durch den Nebel mit breitem Selbstbewusstsein in die Depression. Das Ende ist bekannt. Spar-Ratschläge sind vor allem Schläge. Damals war es “nur” Deutschland. Heute ist es die Währungsunion, die längst keine mehr ist.
“Hören Sie auf, das deutsche Volk zu belügen. Bei der EZB liegen 460 Milliarden, die die Zentralbank bereits an südliche Staaten ausgegeben hat, natürlich haftet Deutschland mit 27 Prozent dafür!”, wetterte Jürgen Trittin (Grüne) heute nach der Regierungserklärung zur Krise im Bundestag in Richtung Bundeskanzlerin. Angela Merkel, die in ihrer Rede so vage blieb wie immer in letzter Zeit, hat ihre Glaubwürdigkeit nicht nur bei der Opposition im Parlament längst verspielt.
Der Rettungsschirm ist auch mit Hebel viel zu klein, weil Investoren keine Lust mehr auf europäische Staatsanleihen haben. Ganz im Gegenteil: Das Kapital flüchtet derzeit weltweit aus dem Euro. War erst von zwei Billionen die Rede, reduzierte man seine Erwartungen später auf “vielleicht eine Milliarde”. Jetzt wird klar, dass auch dieser Wert nicht erreicht werden kann und höchstens 750 gehebelte Milliarden dabei herauskommen können.
Ob es “noch eine gemeinsame Vision für Europa” gibt, fragt man sich in Madrid, und ein Staatssekretär gibt die Antwort gleich selbst: “Dieses Europa ist nicht etwa die Lösung sondern das Problem. Wir müssten Europa ganz neu erfinden, wenn wir die Menschen erneut für diesen Begriff begeistern wollen.”
Sogar Josef Ackermann, der deutsche Geld-Guru, will “Europa neu begründen”, verlangt er auf dem Wirtschafts-Symposium der “Zeit”. Wie das gehen soll, sagt er nicht. Wie denn auch, wenn längst klar ist, dass der Rettungsschirm mit 440 Milliarden (ohne Hebel) weit zu klein ist, um auch nur die Refinanzierung von Italien und Spanien abzudecken?
Die von Merkozy angepeilte “Verschärfung des Stabilitätspakts” mit genau definierten harten Sanktionen für Schuldensünder wird nur zuerst in den südeuropäischen Ländern zu Tumulten bis hin zum Bürgerkrieg führen, wenn weitere harte Einschnitte ins soziale System umgesetzt werden. Durch die wegbrechende Kaufkraft im Süden werden auch die starken Euro-Länder noch tiefer in den Sumpf gezogen.
Klares politisches Handeln ist nirgendwo in Sicht. Ob Euro- oder Elite-Bonds, ob die EZB noch mehr belastet wird – die “Rettung” wird immer teurer. Auf die enormen Geldreserven von China und anderen Ländern muss man nicht setzen, denn die Hebelbedingungen sind nicht attraktiv genug, um in Europa Geld auszugeben.
Auf dem EU-Gipfel am 9. Dezember wird man vermutlich mit Gewalt einen “Stabilitätspakt” schaffen, der nur das nächste Pflaster auf eine klaffende Fleischwunde darstellt. Die Vereinten Nationen warnen bereits vor einer weltweiten Rezession. Andere Wirtschaftsfachleute heben den Zeigefinger angesichts “einer gewaltigen Inflation, wenn die Wirtschaft wirklich anspringen sollte, nachdem die EZB so viele Milliarden zum Schuldenankauf gedruckt hat”.
Immer mehr wird deutlich, dass das System am Ende ist und der Crash reine Zeitfrage. Trotzdem werden diejenigen, die über alternative Geld- und Gesellschaftssysteme nachdenken, in den Entscheidungszentralen Europas immer noch ignoriert und als weltfremde Spinner behandelt. Die Menschen auf der Strasse wissen es längst besser. Sie sehen genau, dass die Reden von Merkel und Sarkozy keinerlei neue Lösungsvorschläge für die Krise beinhalten und haben jeden Tag mehr Zukunftsangst, die den Hals zuschnürt und innovatives Nachdenken blockiert statt es zu fördern.
Es wird längst Zeit, dass klar wird, dass das gegenwärtige Zins- und Zinseszins-System, das aus dem zweiten Jahrhundert vor Christus stammt, komplett abgewirtschaftet hat und weg muss, weil es den Reichtum immer mehr von unten nach oben umverteilen muss. Änderung der EU-Verträge, Euro-Bonds, weitere EZB-Milliarden, noch ein Rettungsschirm … es wird innerhalb des bestehenden Wirtschaftssystems keine Lösung mehr geben für diese Krise. Deswegen sind alle gut beraten, sich jetzt sofort, pausenlos und intensiv Gedanken darüber zu machen, wie ein ganz neues System zu entwickeln ist, das nach dem unweigerlich kommenden Zusammenbruch etabliert werden kann, muss und wird.
Die Menschheit hat Solidarität nicht durch moralisch-ethische Erwägungen gelernt, jetzt wird es durch Verlustangst und die “Sachzwänge” passieren müssen. Besser spät als nie!
Gefällt mir:
Gefällt mir Wird geladen …