Sicher ist nur, dass das spanische Rettungsersuchen kommen wird. Wann, weiss derzeit niemand so genau. Nicht einmal Rajoy vermutlich, der gestern auf die Frage, ob seine Regierung unmittelbar davor stehe, Hilfe zu beantworten, mit einem knappen „No“ antwortete. In Berlin sind die Gefühle diesbezüglich mehr als zwiespältig. Einerseits möchte man Spanien möglichst bald unter dem Rettungsschirm sehen – andererseits ja, nein, lieber nicht. Die „nein-keinesfalls-vielleicht-doch-na-gut-alternativlos“-Regierungschefin hat Angst vor dem eigenen Bundestag.
Schlagwort-Archive: Rettungsschirm
Spanien heute: Rajoy hat ein Problem, Artur Mas hat mehr als eins
Was soll er nur mit dem Rettungsersuchen tun? Jetzt? Später? Oder vielleicht gar nicht? Mariano Rajoy kann sich nicht entscheiden und wird von allen Seiten getrieben. Die Opposition, Berlin, die EU, die EZB, alle zerren an ihm. Und dann ist da noch die Galizien-Wahl. Kann er die Entscheidung noch bis Ende Oktober aufschieben? – Solch ein Problem hätte Artur Mas jetzt gern. Ein einziges Problem, auf das man sich konzentrieren kann. Doch der Regierungschef Kataloniens muss an vielen Fronten kämpfen – und er hat sie sich fast alle selbst eingebrockt.
Wenn man die falschen Schlüsse zieht, nützt die beste Analyse nichts!
Peter Boehringer ist in der Summe ein trauriger Fall – ohne jede Ironie. Da bemüht sich jemand, lässt sein Gehirn rauchen, analysiert messerscharf, was denn gerade passiert und was falsch läuft. Das ist alles absolut hörenswert, in voller Länge.
Und dann, ganz am Schluss, zieht er aus so vielen richtigen Überlegungen den komplett falschen und beinahe hirnrissigen Schluss: Wenn man den Markt nur machen liesse, wäre alles geregelt …
Einfach schade. Tragisch beinahe.
Lesen Sie dazu auch:
* Von Schulden und Eseln
* Wirtschaftswissenschaftler und Ökonom – die Dümmsten der Klasse
* „Die Märkte funktionieren derzeit nicht korrekt“
„Schäuble, hilf!“ – Katalonien bestätigt Pleite der Region
Katalonien ist die dritte Region nach Valencia und Murcia, die jetzt Gelder aus dem nationalen Rettungsfond beantragen muss, um ihren laufenden Verpflichtungen nachkommen zu können. Das bestätigte heute Mittag der Sprecher der katalanischen Regierung, Francesc Homs, der sich strikt weigerte, das als „Rettung“ zu bezeichnen und deswegen etliche verbale Pirouetten drehen musste, um diesen Terminus zu vermeiden. Über die Summe, die Katalonien, das mit 42 Milliarden Euro verschuldet ist, in Madrid anfordern will, gibt es noch keine näheren Angaben.
Witz der Woche in Spanien
„Bloss keine Troika in Madrid – dann müssten wir knallharte Sparauflagen erfüllen!“ – Das ist der Witz der Woche in Spanien, dessen Sinn sich ausserhalb der Landesgrenzen vielleicht nicht sofort erschliesst. Der Hintergrund: Seit Monaten redet Regierungschef Mariano Rajoy davon, man müsse alles tun, damit das Land nicht unter den Rettungsschirm schlüpfen muss, denn sonst kämen die mit den schwarzen Anzügen aus Brüssel und würden Spanien harte Sparauflagen auferlegen. Das Volk begegnet dem inzwischen mit grinsendem Sarkasmus: Noch härtere Sparauflagen als die, die Rajoy längst verkündet hat? Wer sollte denn noch Angst davor haben?
Denken Sie jetzt nach vorn!
Bankster, Neue Weltordnung, dumme oder kriminelle Politiker, Bilderberger, Ackermann, ESM und „Fäkalpakt“ oder faule Südländer – allüberall sucht sich derzeit jeder seinen Sündenbock, auf den er meint eindreschen zu müssen. Die Diskussion erschöpft sich im Augenblick in der Schuldzuweisung, im Destruktiven, negative Energie vernebelt die Sinne. Das ist falsch! Wenn es die Schwarmintelligenz wirklich gibt, muss sie jetzt dazu genutzt werden, nach vorne zu denken, aktiv Lösungsansätze zu suchen. Selbst wenn es keine Patentrezepte gibt, sollte jeder Einzelne versuchen, seine eigenen Rezepte zu suchen und konstruktiv in die Diskussion einzubringen.
Endspiel – Jetzt wird es eng im Hosenanzug
Der ESM wird am 1. Juli nicht kommen, der Bundespräsident unterschreibt nicht bis das Verfassungsgericht die Lage klar sieht. Joachim Gauck hat keine Lust, sich die Finger zu verbrennen. Der IWF kritisiert die deutsche Regierung mit harten Worten. Österreichs Notenbankchef Nowotny bemüht einen Nazi-Vergleich, um Berlin vor den Folgen deutscher Politik zu warnen. Italiens Regierungschef Mario Monti versichert, es gebe eine Woche Zeit, um den Euro zu retten. Jetzt wird es wirklich eng im Hosenanzug der Kanzlerin! Sind in Berlin überforderte Psychopathen am Werk, wie Wolfgang Münchau glaubt?
Next one please: Zypern will noch in diesem Monat unter den Rettungsschirm
Vielleicht schon an diesem Wochende, spätestens am nächsten: „Das Thema ist dringend. Wir wissen, dass die Rekapitalisierung der Banken bis zum 30. Juni abgeschlossen sein muss“, sagte Finanzminister Vassos Siarlis am Montag und kündigte damit unausgesprochen den nächsten Rettungskandidaten an. Natürlich ist Zypern geradezu eine Kleinigkeit, wenn man an die 100 Milliarden denkt, die jetzt nach Spanien fliessen, doch es ist ein Land mehr, das sich nicht mehr selbst helfen kann, tief in der Rezession steckt und schon seit Monaten sieben Prozent Zinsen zahlen muss.
Rajoys Stunde der Wahrheit ist heute gekommen – in der Neusprech-Version
Bitte lesen Sie unbedingt unseren gestrigen Artikel (inkl. der Updates) als Grundlage zu diesem Thema. Rajoy hatte noch vor zwölf Tagen eine Bankenrettung kategorisch ausgeschlossen. Heute Nachmittag wird die Gruppe der Euro-Finanz- und Wirtschaftsminister wie angekündigt bei einer Telefonkonferenz darüber beraten, wie mit Spanien weiter zu verfahren ist. Es wird erwartet, dass die spanische Regierung mindestens 40 Milliarden Euro beantragt, die laut einer Studie des Internationalen Währungsfonds nötig sind, um den spanischen Finanzsektor zu „retten“. Rajoy kämpft jetzt nicht mehr gegen die Sache an sich – er bereitet sich und seine Partei darauf vor, mit allen Mitteln das Wort „Rettung“ zu vermeiden.
Merkels Rettungsplan zeichnet sich ab, wird aber zu spät kommen
Angela Merkel ist sicher, dass der ESM Anfang Juli starten kann. Dieser permanente europäische Rettungsschirm, der die Regierungen praktisch entmachtet, hat ein Volumen von 500 Milliarden Euro. Damit sollen die in Schwierigkeiten geratenen Staaten „gerettet“ werden. Unter den Regierungschefs der EU besteht auch mehr und mehr Einigkeit, dass Geld aus dem ESM direkt in die Banken“rettung“ fliessen soll, ohne den Umweg über die Regierungen. Doch der Plan Merkels hat zwei entscheidende Löcher: Er ist unzureichend und er wird zu spät kommen.