Alfredo Sáenz ist zurückgetreten. Der Vizepräsident der Banco Santander wird an seinem letzten Amtstag eine grosse Aktentasche mitbringen müssen, damit alle Scheinchen Platz haben: Er geht mit einer Abfindung von 88,17 Millionen Euro und einer Lebensversicherung in Höhe von 11,1 Mio. Euro. Doch das ist noch lange nicht alles, was diese Geschichte überaus interessant macht.
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Neue Gemütlichkeit für Drogenbarone
Während sich Richter und Staatsanwälte offiziell darüber beschweren, dass ihnen die nötigen Mittel zur Korruptionsbekämpfung verweigert werden, freuen sich die Drogenbarone in Galizien über die neue Gemütlichkeit. Wurden Sie noch im vergangenen Jahr vom Finanzamt gejagt und verfolgt, müssen Sie sich seit dem Antritt der Regierung Rajoy keine Sorgen mehr machen. Die Finanzbehörden haben es still und heimlich aufgegeben nachzuforschen, woher die immensen Vermögen im Nordwesten Spaniens stammen.
Gemachte Armut in Spanien, Deutschland und Frankreich
Wir halten dies für einen sehr wichtigen neuen Film, weil er mitten aus dem Leben berichtet in Spanien, Deutschland, Frankreich. Wie geht es den Menschen zwischen Überfluss und Armut? Wie fühlen sich Kinder, wenn die Familien von der Tafel leben? Warum sind weitere soziale Explosionen und Gewaltausbrüche gar nicht zu vermeiden, weil verfassungswidrig bereits kein Sozialstaat mehr existiert? Und was bedeutet das für den Kontinent Europa? Tun Sie sich selbst und uns den Gefallen – nehmen Sie sich 50 Minuten Zeit, schauen sich diese Arte-Dokumentation an!
Heftplaster gegen Zwangsräumungen beschlossen
Die gute Nachricht zuerst: Die spanische Regierung konnte den sozialen Druck nicht mehr ignorieren und hat soeben Massnahmen gegen das Zwangsräumungsdrama beschlossen. Bei aller jetzt folgenden Kritik ist das eine gute und wichtige Massnahme. Das neue Dekret beweist allerdings nur eins – wenn es diesen erneuten Beweis noch gebraucht hat: Die Politik produziert mit der heissen Nadel gestrickte untaugliche Lösungen erst dann, wenn das Kind längst im Brunnen liegt. Improvisierte hektische Reaktion statt gestalterischer Voraussicht. Für diese Tatsache ist die heutige Entscheidung beinahe ein Musterbeispiel.
„Ich zahle nicht“: Tumulte und Festnahmen in der U-Bahn
Über Aufmerksamkeit kann sich die neue Protestbewegung nicht beschweren: Massiver Polizei-Einsatz (Foto oben) hat jetzt in der U-Bahn Station Callao für Tumulte und vier Festnahmen gesorgt. Dutzende von Menschen hatten ohne zu bezahlen die Absperrungen der Madrider Metro übersprungen und leisteten damit einem Aufruf der Aktion „Yo no pago“ („Ich zahle nicht“) Folge, die sozialen Protest gegen Fahrpreiserhöhungen und soziale Einschnitte in Spanien handfest machen will.
Konservative mit absoluter Mehrheit in Spanien – Desaster für PSOE
Die konservative PP (Partido Popular) hat in Spanien eine sehr komfortable absolute Mehrheit erreicht. Die sozialdemokratische PSOE des bisherigen Regierungschefs Zapatero erlebte mit ihrem Spizenkandidaten Rubalcaba ein Debakel und fuhr das schlechteste Ergebnis aller Zeiten ein. Damit bestätigten sich praktisch alle Umfragen der vergangenen Monate.
Nach Auszählung von 99,2 Prozent der Stimmzettel werden der PP 186 Sitze attestiert (44% der Stimmen), damit zehn mehr als die absolute Mehrheit im Parlament. Die linke Volkspartei PSOE erreichte nur 110 Sitze (28% der Stimmen).
Die Sozialdemokraten verloren damit mehr als 50 Sitze, das schlechteste Ergebnis aller Zeiten unter ihrem Spitzenkandidaten Alfredo Pérez Rubalcaba.
Auch die kleineren Parteien in Spanien profitierten anteilig vom freien Fall der Zapatero-Regierung. PP und PSOE summieren 73 Prozent aller Stimmen, in vorigen Wahlen waren es mehr als 80% gewesen. PSOE-Wähler blieben teilweise zu Hause, andere suchten sich eine andere Alternative zur PSOE, die für die Krise des Landes und die Arbeitslosigkeit verantwortlich gemacht wird.
Aspekte dieser Wahl unter vielen:
* Die linke IU hat ihren Stimmanteil auf Kosten der PSOE mehr als verfünffacht, jetzt 11 Sitze statt vorher 2.
* Die katalanischen Nationalisten CiU haben zwar auch zugelegt, allerdings kein politisches Erpressungpotential mehr, weil die komfortable absolute Merhheit der PP nicht auf sie angewiesen ist.
* AMAIUR, die separatistische neue Partei im Baskenland, für die die ETA-Terroristen offen geworben hatten, verdrängt auf Anhieb die bisher im Baskenland vorherrschende Partei PNV.
* Die PP erlangt eine absolute Mehrheit – fast ohne jeden Handlungsspielraum. Die Rede des Spitzenkandidaten Rajoy heute Abend zeigte, dass er sich dessen sehr wohl bewusst ist. Das Schicksal Spaniens hängt nur noch zum geringeren Teil von ihm ab, den grösseren bestimmen „die Märkte“.
* Die Sozialdemokraten hatten sich dazu treiben lassen, in den vergangenen 20 Monaten Kürzungen aller Art vorzunehmen. Mit dem Ergebnis, dass es Spanien heute schlechter geht als zuvor. Jetzt haben sie in der Opposition Zeit und Gelegenheit, sich auf ihre Ideale und ihr sozialdemokratisches Gewissen zu besinnen, wenn sie jemals wieder eine Wahl gewinnen wollen.
Voraussichtliche Sitzverteilung im spanischen Parlament
PP 186
PSOE 110
CiU 16
IU 11
AMAIUR 7
UPyD 5
PNV5
ERC 3
BNG 2
CC-NC-PNC 2
COMPROMÍS-Q 1
Niedrige Beteiligung bei Spanien-Wahl: “Ist doch egal, wer gewinnt!”
Jeder weiss, wie es ausgehen wird, den meisten ist es ziemlich egal! Die Wahlbeteiligung am heutigen Sonntag lag um 18 Uhr niedriger als 2008: Nur 57,6 Prozent (2008: 60,95) hatten ihre Stimme abgegeben.
“Das ist wie die Entscheidung zwischen Pest und Cholera”, zuckte ein Lehrer auf dem Wahllokal mit den Schultern”, wahrscheinlich gehe ich direkt vorbei und in die Bar, frühstücke ausgiebig, statt mich an dieser Farce zu beteiligen; spielt doch keine Rolle, wer jetzt die nächsten von Brüssel diktierten Kürzungen umsetzt.”
So ähnlich äussern sich am heutigen Wahltag viele Spanier überall im Land. Die sozialdemokratische Regierung unter Ministerpräsident Zapatero wurde von der Krise gebeutelt, ihr waren die Hände gebunden. Jetzt werden die Konservativen einen “glorreichen” Wahlsieg einfahren, um danach mindestens weitere 18 Milliarden einsparen zu müssen.
Auch der härteste Wahlkampf aller Zeiten bringt die Menschen nicht mehr an die Wahlurne. “Europa geht mit den Sozialisten und mit den Konservativen den Bach runter, das wird doch längst nicht mehr in Madrid entschieden”, sagt der Lehrer und geht tatsächlich resigniert am Wahllokal vorbei.
Mariano Rajoy und seine konservative PP (Partido Popular) werden diese Wahl deutlich gewinnen, so viel ist nach allen Umfragen und seit Wochen klar. Die Frage ist nur, ob er die absolute Mehrheit bekommt wie einst sein Mentor José María Aznar. Doch selbst dann ist der Weg vorgezeichnet. Mehr Sparprogramme, mehr Proteste in der Bevölkerung.
Ein sozialdemokratischer Abgeordneter bringt es auf den Punkt: “Wahrscheinlich ist es ganz gut, dass die Konservativen diese Wahl gewinnen. Denen macht es wenigstens auch noch Spass, noch mehr neoliberale Einschnitte im sozialen Bereich durchzupauken – uns nicht.”
Die ersten demokratischen Wahlen ohne Bedrohung nationalistischen Terrors durch die ETA. Auch das dämpft den Fatalismus nicht. Egal wer heute Abend wie hoch gewinnt, die Halbwertzeit der neuen Regierung ist begrenzt, schon vor dem Wahlsieg.
Update: Nach Schliessung der Wahllokale zeichnet sich die absolute Mehrheit für die konservative PP ab, die mindestens 176 Sitze bedingt. Zwischen 181 und 185 werden der PP derzeit in den TV-Erhebungen attestiert.
Mariano Rajoy geht auf Eiern
Das 212-seitige Wahl-Programm, das die konservative PP (Partido Popular) jetzt präsentierte, windet sich wie ein Aal. Nur nicht anecken, bloss niemanden aufwecken, alles weitmöglich mit wolkigen gedrechselten Floskeln zuschmieren.
Wie überall macht die spanische Bevölkerung die aktuelle sozialdemokratische Regierung von Ministerpräsident Zapatero für die Krise verantwortlich. Die Umfragen sagen einen deutlichen Sieg der Konservativen am 20. November voraus. Wozu also konkret werden und irgendein Risiko eingehen? Wattebausch- Kommunikation und aus.
Dennoch strahlt der neoliberale Ansatz deutlich aus dem Programm. Privatisieren, was noch zu privatisieren ist und so viel private Beteiligung im öffentlichen Service wie nur möglich.
PP-Parteichef Mariano Rajoy geht auf Eiern. Den „spanischen Sparern“ wolle er „Steuerlast von den Schultern nehmen“, schwadroniert er. Gemeint sind Steuersenkungen für Kapital-Renditen. Arbeiter und Angestellte haben längst kein Spar-Potential mehr, von den vielen Arbeitslosen gar nicht zu reden. Die PP bedient ihre besitzende Klientel mit dieser Massnahme und muss sich damit auch um zukünftige Finanzierungen des Wahlkampfes der Partido Popular keine Sorgen machen.
Die spanische Bahn, eine der letzten rentablen Staatsfirmen, steht auf dem Frühstückszettel der Privatisierer, wahrscheinlich auch die Post. Die Flughäfen sowieso. Ob mittels Börsengang auch die staatliche Lotteriegesellschaft, und damit der Rest des Tafelsilbers, unter den Hammer kommt, lässt das Programm offen.
Kein Wort über die Wasserversorgung, kein Satz zur Homosexuellen-Ehe und der mehrfach angekündigten Rücknahme des entsprechenden Gesetzes. Wer nichts sagt, hat nachher die Hände frei zu tun, was immer ihm beliebt.
Sparen ja, aber wo? Ein paar blumige Sätze zu Erziehung, Bildung und der medizinischen Versorgung lassen völlig offen, wo die Axt angesetzt werden soll: „Wir garantieren die Qualität des Sozialstaats und fördern effiziente Modelle öffentlich-privater Zusammenarbeit mit Verantwortung und öffentlicher Kontrolle.“
Wer so redet, tut das bewusst, um nichts zu sagen. Die Wähler-Klientel in Pampers packen und den Schnuller in den Mund. Nach der Abstimmung am 20. November wird die konservative PP, die seit Monaten behauptet, ein Regierungswechsel sei allein ausreichend für die Besserung der Lage, tun und lassen können, was immer ihr Spass macht.
Die Wähler werden dafür sorgen. Nach der Makro-Umfrage, die am 4. November publiziert wurde, wird die PP 46,6 Prozent aller Stimmen bekommen, die andere Volkspartei PSOE nur 29,9 Prozent, das schlechteste Ergebnis aller Zeiten.
ETA verkündet Ende des bewaffneten Kampfes
Der 20. Oktober 2011 hat gute Chancen, in Spanien zu einem historischen Tag zu werden. Die baskische Terroristenorganisation (nein, es heisst nicht Separatistenorganisation) ETA hat das „definitive Ende des bewaffneten Kampfes“ verkündet.
Die Ankündigung – wie üblich in der baskischen Zeitung Gara – kommt eineinhalb Jahre nach dem letzten bewaffneten Anschlag, bei dem der französische Polizist Jean Serge zu Tode kam. 51 Jahre und knapp 900 Tote später.
Anlass dafür war die drei Tage vorher stattgefundene Friedenskonferenz in San Sebastián im Palacio de Aiete. Sie wurde von Kofi Annan geleitet; Teilnehmer war unter anderen auch der irische „Terrorismus-Experte“ Gerry Adams. Die Konferenz forderte ETA auf, das Ende des bewaffneten Kampfes zu erklären, verlangte gleichzeitig von Spanien und Frankreich, sofort Verhandlungslösungen für den baskischen Konflikt anzugehen.
Die spanische Regierung hatte sich nach der Konferenz kompromisslos gezeigt: „Was wir von ETA verlangen, ist schlicht das Ende des bewaffneten Kampfes, ohne alle Vorbedingungen.“
Die Terroristenorganisation hat nun, zum Erstaunen vieler Beobachter genau das getan. Von einer ETA-Auflösung ist nicht die Rede, auch die Übergabe der Waffen ist nicht Teil des ETA-Kommuniqués, dennoch eröffnet die jüngste Entwicklung jetzt die einmalige Chance, Spanien vom Terrorismus zu befreien.
ETA schloss sich heute der Forderung der Konferenz an und forderte die Regierungen in Madrid und Paris dazu auf, in den Dialog über Konfliktösungen einzutreten.
Während einige spanische Institutionen die „Niederlage der ETA“ feiern, rufen andere zur Zurückhaltung auf und wollen lieber „warten, bis den Worten Taten Folgen“ – nicht-Taten meinen sie eher damit.
Spanien ist zu wünschen, dass heute die neue Zeitrechnung ohne Terrorismus beginnt. Alle Beteiligten sollten jetzt keine Zeit verschwenden, unverzüglich die Kommunikation suchen, um nicht eine historische Chance zu verpassen.
Regierungswechsel a la vista!
Die sozialdemokratische Regierung wird Ende November fallen, wie alle derzeitigen Regierungen, die für die aktuelle Krise verantwortlich gemacht werden und die Quittung dafür präsentiert bekommen.
Präsident Zapatero (PSOE) tritt nicht mehr an, erkennt die Sinnlosigkeit eines solchen Vorhabens. Zu lange hatte er die Krise wegdiskutieren wollen. Zu spät erkannte er den Handlungsbedarf. Zu zögerlich kamen seine politischen Reflexe. Der nächste Kandidat der Sozialisten, Alfredo Pérez Rubalcaba, ist schon so lange Teil der spanischen Politik und auch der Regierung Zapateros, dass er keine Aufbruchstimmung beschwören kann. Keine Chance.
Die konservative PP wird bei der Wahl abräumen. Nicht etwa deswegen, weil sie die besseren Rezepte hätte, weit gefehlt. PP-Chef Rajoy beschränkt sich darauf, den „Stimmungswechsel“ zu beschwören, den sein Wahlsieg bewirken wird. Der alleine sei Grund genug, um die Verbesserung – bei ihm klingt das nach „Rettung Spaniens“ – zu bewirken. Ein Programm hat er nicht. Wenn er eins hat, verrät er es nicht.
Der Bevölkerung ist es egal. Es muss „anders werden“ und Punkt! Das sagen alle Umfragen und sehen einen kolossalen Wahlsieg der PP voraus. Andere Umfragen, die wissen wollen, ob es denn mit einer konservativen Regierung besser werde, bekommen die Antwort „Para nada, die sind doch alle gleich“.
España es diferente – Spanien ist anders! Normalerweise. In vielen Aspekten des Lebens stimmt das. In der aufkeimenden Hoffnung auf die Aussichtslosigkeit unterschieden sich die Spanier allerdings gerade nicht vom restlichen Europa.