Griechenland ist unwichtig – Der Tag nach dem Crash

Die wirkliche Krise lauert ganz woanders und hat noch nicht einmal begonnen! Dabei ist positiv anzumerken, dass Kritik am Kapitalismus inzwischen gesellschaftsfähig geworden ist, weil auch Tante Elli und Onkel Willi endlich selbst spüren, dass nicht nur „linke Spinner“ und „Verschwörungstheoretiker“ den Karren in den Abgrund fahren sehen. Das latente Gefühl der Panik beherrscht die Szene.

Griechenland ist der Auslöser der Krise, nicht der Verursacher. Der Euro ist (nur) die Nadel, die den Luftballon des globalen Finanzsystems zum Platzen bringt.
Hätte der G20-Gipfel im April 2009 eine Reservewährung beschlossen, die den längst untauglichen Dollar als weltweite Handelswährung ablöst, wäre die Situation vielleicht zu retten gewesen. Verpasste Chancen!

Erst wenn ins öffentliche Bewusstsein gerät, wie sehr Grossbritannien, vor allem aber die USA tatsächlich pleite sind, wird sich das gesamte Ausmass der Krise offenbaren. Griechenland, einen Staat mit der Wirtschaftskraft von Hessen, kann man „retten“, wenn man will; England und die USA sind schon von ihrem puren Wirtschaftvolumen her „unrettbar“. Niemand hat genug Geld, um dort einen Rettungsschirm aufzuspannen. Schon 2012 dürfte sich damit die Alibi-Diskussion Griechenland schnell erledigen.

Tante Elli und Onkel Willi spüren instinktiv, dass etwas ganz grundlegend nicht stimmt. Sie sehen jetzt, dass die Politdarsteller von Notverband zu Notverband hetzen, ohne wirklich einen Plan zu haben. Ob Jakob Augstein im „Spiegel“ oder die früher geschmähte Sahra Wagenknecht in fast jeder Talk-Show: Kapitalismus-Kritik wird zum Mainstream.

Angst ist die Triebfeder, nicht etwa Einsicht. Angst um die Lebensversicherung, die Rente, den Wohlstand allgemein. Doch das spielt letztendlich keine Rolle. Jedes Motiv ist gut genug, um endlich den nötigen Denkprozess unter denjenigen in Gang zu setzen, die bisher der Meinung waren, dass dieses System unkaputtbar ist – das wird sogar in öffentlich-rechtlichen TV-Programmen Abend für Abend deutlicher.

Um nicht in der Panik-Vision zu verharren und, wie viele andere, täglich den Teufel an die Wand zu malen, wird der Uhupardo in Kürze mit der Serie „Der Tag nach dem Crash“ beginnen. Darin werden bereits existierende zukünftige Gesellschaftsmodelle in einfacher, allgemein verständlicher Sprache vorgestellt, unabhängig von jeder politischen Ausrichtung und Ideologie.

Diese sollen als Diskussionsgrundlage und dazu dienen, möglichst bald aus der Schockstarre heraus zu kommen. Der Planet Erde wird sich weiter drehen. Wir alle haben es in der Hand, ihn, nach einem wohl unausweichlichen Crash, für alle Menschen lebenswerter zu machen als er heute ist.
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Hier beginnt die Serie: Der Tag nach dem Crash

17 Kommentare zu “Griechenland ist unwichtig – Der Tag nach dem Crash

  1. Wäre Henry Paulson seinerzeit konsequent geblieben mit seiner Erklärung, er wolle keine weiteren Banken oder Versicherungen retten, und hätte er die AIG konsequent zugrundegehen lassen, wäre der Kapitalismus vielleicht schon Vergangenheit. Ganz so sehr hing er dann aber doch nicht an seinen Prinzipien, um den Niedergang seiner Ideologie zu riskieren.

    Die Frage, was danach kommt, könnte interessant werden. Braucht eine Gesellschaft wirklich den Wettbewerb? Ist die Ökonomisierung aller Lebensbereiche tatsächlich die Lösung, oder nicht etwa doch – um einen Satz von Reagan ins Gegenteil zu verkehren – das Problem?

    Ich stimme Dir voll zu. Insbesondere hinsichtlich der Feststellung, daß GB und USA pleite sind. Frei nach Volker Pispers: Pleiterererer als die DDR jemals war! Aber was lernen wir daraus? Es scheint eigentlich gar nicht so schlimm zu sein, wenn ein Staat pleite ist solange die Kapitaleigner ein Interesse daran haben, daß darüber nicht öffentlicht diskutiert wird.

    Kapitalismus ist irgendwie schon eine groteske Veranstaltung.

    • uhupardo sagt:

      „Es scheint eigentlich gar nicht so schlimm zu sein, wenn ein Staat pleite ist solange die Kapitaleigner ein Interesse daran haben, daß darüber nicht öffentlicht diskutiert wird.“

      Das ist ein kluger Satz, muchas gracias. 🙂 Bis jetzt hat er die Situation stabilisieren können, das dürfte sich 2012 ändern. Zu hoch sind die Schulden besonders in den USA, um noch kaschiert werden zu können. Wenn sich der Griechenland-Qualm verzogen hat, dürfte das auf den Tisch kommen. Dann spätestens geht es ums Eingemachte.

  2. ichbindaswortistich sagt:

    Du klingst sehr optimistisch, was ich durchaus bewundernswert finde. Aufgrund all meiner Erfahrung und Lektüre bin ich indes nicht bloß Antikapitalist, sondern auch im Sinne George Orwells Geschichtspessimist. Kürzer als mit diesem läßt es sich mit einem Vers aus dem Motörheadstück ‘Better off Dead’ ausdrücken: ‘Let me know when you get there …’

    • uhupardo sagt:

      Nun, jeder schaut der Schlange mit seinem selbstgewählten Gesichtsausdruck ins Angesicht. Ich kritisiere Pessimismus nicht, wenn die These „erst resignieren und dann erst recht“ dahinter steht.

      Wenn „weitermachen“ sowieso die einzige Lebensmaxime sein kann, weil es keine andere gibt, wenn man sich nicht täglich die Kugel geben möchte, ist der Glaube an mögliche Veränderung nahezu zwingend. Unter diese Prämisse lieber mitwirken als daneben stehen und zuschauen oder nicht? 😉 Geschichtspessimisten hätten die Berliner Mauer auch nicht fallen sehen. We already got there …

      • ichbindaswortistich sagt:

        Ich meinte mit Geschichtspessimismus folgendes:

        Throughout the recorded time, and probably since the end of the Neolithic Age, there have been three kinds of people in the world, the High, the Middle and the Low. They have been subdivided in many ways, they have borne countless different names, and their relative numbers, as well as their attitude towards one another, have varied from age to age: but the essential structure of society has never altered. Even after enormous upheavals and seemingly irrevocable changes, the same pattern has always reasserted itself, just as a gyroscope will always return to equilibrium, however far it is pushed one way or the other.
        […]
        The aims of these three groups are entirely irreconcilable. The aim of the High is to remain where they are. The aim of the Middle is to change places with the High. The aim of the Low, when they have an aim—for it is an abiding characteristic of the Low that they are too much crushed by drudgery to be more than intermittently conscious of anything outside their daily lives—is to abolish all distinctions and create a society in which all men shall be equal. Thus throughout history a struggle which is the same in its main outlines recurs over and over again. For long periods the High seem to be securely in power, but sooner or later there always comes a moment when they lose either their belief in themselves or their capacity to govern efficiently, or both. They are then overthrown by the Middle, who enlist the Low on their side by pretending to them that they are fighting for liberty and justice. As soon as they have reached their objective, the Middle thrust the Low back into their old position of servitude, and themselves become the High. Presently a new Middle group splits off from one of the other groups, or from both of them, and the struggle begins over again. Of the three groups, only the Low are never even temporarily successful in achieving their aims. It would be an exaggeration to say that throughout history there has been no progress of a material kind. Even today, in a period of decline, the average human being is physically better off than he was a few centuries ago. But no advance in wealth, no softening of manners, no reform or revolution has ever brought human equality a millimetre nearer. From the point of view of the Low, no historic change has ever meant much more than a change in the name of their masters.

        (Orwell, George: Nineteen Eighty-Four; London: Penguin, 1990; S. 209 f.)
        In diesem Sinne verstehe ich auch den Vers ‘Let me know when you get there.’ Ich glaube nicht, daß es geschieht, bis ich sehe, daß es tatsächlich geschieht.

  3. peter sagt:

    Tante Elli und Onkel Willi haben in Deutschland eben noch nichts kapiert!
    Sie lesen früh die Blödzeitung und schauen sich am Abend die „Märchenschau“ bei den Regierungssendern an,dann gehen sie „gebildet“ zu Bett.

  4. Lavinia sagt:

    Hallo uhupardo,
    erst einmal vielen Dank für Deinen Blog und Deine Initiave des Handelns. Du vermittelst mir endlich das Gefühl, hier in D-Land nicht allein mit meiner Gewissheit der unabdingbaren Neugeburt eines neuen Systems entgegen zu gehen. Viele der alten Bekannten sind deshalb von mir schon abgefallen, da ich wohl zu schnell bin ;-). Darüber gibt es nichts zu trauern, denn es finden sich ganz neue, fröhliche Geister wieder zusammen, die ihre Vision vom Leben in Frieden und Freude umsetzen.

    Ich sehe allen Grund der Freude, um endlich das Joch der materiellen Fesseln, die den Geist in einer Knechtschaft hielten, loszuwerden.

    „Der Tag nach dem Crash…“ ist eine hervorrangede Idee eines Projektes, an dem ich gern mitstricke :-). Denn ich habe große Lust auf ein wahrhaftiges WIR, in dem sich jeder bewußt austoben sollte.

    Also: Lets go!

    Bis bald und herzliche Morgengrüße
    Lavinia

    • uhupardo sagt:

      Lavinia, muchas gracias, jede Form der Beteiligung ist natürlich herzlich willkommen. Es ist richtig, ich halte einen Reset inzwischen für unausweichlich. Es würde mir reichen , wenn der Begriff „Krieg“ kein Teil davon wäre. Dennoch wird es sicher schwierig genug. Ob deswegen „aller Grund zur Freude“ angesagt ist, wird sich erst noch herausstellen. ;o) Zumindest aber wird es spannend und jeder sollte versuchen, sein Teil beizutragen.

  5. Es gibt tatsächlich schon jede Menge Ideen, wie es „nachher“ weitergehen könnte. Es gibt bereits viele Menschen, die darüber schon lange nachgedacht haben. Einer gefällt mir besonders gut:

  6. descueve sagt:

    Ich hoffe nur, dass der Tag nach dem Crash nicht der Tag vor dem großen Krieg ist. Insofern bin ich durchaus auf der Hut vor der offensichtlichen Geheimpolitik der Staaten (USA, England, BRD u. a.) bezüglich eines möglichen militärischen Erstschlages von Israel gegen Iran, um dort die Kompetenz zum Bau einer Atombombe zu vernichten. Natürlich darf man den Mut niemals verlieren…. que te vaya muy bien :))

    • uhupardo sagt:

      Muchas gracias, compañero, igualmente. 😉
      Ein böses Thema! Allerdings ist die Absicht, den Iran anzugreifen, schon seit langem so deutlich, dass Israel vermutlich alles tun wird (bevor die USA „weltöffentlich“ pleite sind), um das Zeitfenster zu nutzen und die Falken hinter sich zu scharen. Alles andere wäre eher eine Überraschung.

  7. Lavinia sagt:

    Rifkin fordert das Ende des herkömmlichen Weltbildes. Wie sollte das wohl gehen? Weltbilder sind geschaltete Programme im Kopf, die eben nicht einmal so ein- oder ausgeschlatet werden (könen), sondern nur erschaffen. Und er weiß das selbst, wenn er Regierungen berät, selbst auch sehr gut. Doch es verkauft sich, wie sich zeigt, doch wunderbar, den Menschen Hoffnung zu machen, da kommt schon etwas vorbeigeritten. Wenn es anders werden soll, so muss das jeder Einzelne in seinem Herzen verändern, dann entsteht das neue Weltbild, von dem so viele reden, kaum einer jedoch es konkret mitgestalten will.

    Deshalb die Idee des Projektes hier ist genau der nötige Fokus, um das o. E. zu realisieren.

    Danke Dir, uhupardo, für Dein Willkommen. Und :-), wenn Krieg nicht mehr anwesend ist, dann haben wir doch Frieden, oder nicht ;-)?

  8. […] Milliarden Euro sind bewilligt worden für Griechenland. Als “Rettungspaket”, das keins ist, ausser für die Banken. Keine 20 Cent von jedem […]

  9. […] ein, der aus den Anfangszeiten dieses Blogs stammt und nichts an Aktualität eingebüsst hat: Griechenland ist unwichtig Bewerten: Share this:TwitterFacebookDiggLinkedInRedditStumbleUponE-MailDruckenGefällt […]

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