Lass weg!

Es gibt mindestens zwei Möglichkeiten, diesen Titel zu interpretieren, davon wird später noch die Rede sein. Zunächst soll besprochen werden, wie einmalig dieser Spieler ist.

Wann hätte es das bei Real Madrid je gegeben? Ein technisch versierter Fussball-Spieler, physisch stark, mit ungeheurem Lungenvolumen und Laufpensum ausgestattet, der gleichzeitig in der Lage ist, jede Spielordnung zu zerstören.

Wenige Spieler haben je bei einem Spitzenclub für so viel Verwirrung gesorgt wie dieser Franzose. Er kam im Januar, wurde zur Sensation in einem dekadenten Team von Juande Ramos, das als Mannschaft nicht funktionierte. Im nächsten Jahr, nach der Florentino-Revolution, drehte er richtig auf, trug sogar die Nummer 10. Danach kam der tiefe Absturz.

Im vergangenen Jahr, jetzt unter Trainer José Mourinho, wechselten schreckliche Leistungen ab mit Phasen, in denen man ab und zu glaubte, ein wenig Licht am Ende des Tunnels sehen zu können. Im Sommer 2011 wollte er weg, doch niemand reichte ein akzeptables Angebot ein. So blieb er also in Madrid und schaffte es sogar, statt Khedira in die Startelf zu kommen.

Von Lassana Diarra ist natürlich die Rede, den alle nur „Lass“ nennen, weil das auf seinem Trikot steht, seitdem er nicht mit dem anderen Diarra verwechselt werden wollte, der Madrid inzwischen längst verlassen hat. Technisch ein guter Spieler zweifelsohne, mit brutalem Antritt auf kurzen Strecken, lauffreudig und wendig, physisch stark und arbeitswillig.

Wenn das alles aber so ist, was läuft dann so derartig schief? Ganz einfach: Lass besitzt keinen Kopf! Keinerlei taktisches Verständnis und Gespür. In Spanien hat er sich deswegen den Spitznamen „El pollo sin cabeza“ (Der Hahn ohne Kopf) eingefangen. Wenn der Franzose im Mittelfeld nominiert wird, rennt er so ziel- wie kopflos auf dem Platz herum, fuchtelt wild mit den Armen in der Luft, wenn er nicht angespielt wird. Lassana Diarra ist in gewisser Weise zuverlässig: Er ist immer präsent und immer genau dort, wo er keinesfalls sein sollte.

Seine Rolle wäre es, Xabi Alonso, dem strategischen Gehirn von Real Madrid, den Rücken frei zu halten. Genau das tut Khedira – unauffällig, unspektakulär, diszipliniert, mit brillantem Stellungsspiel und sehr effektiv. Lass dagegen sieht gar keine Veranlassung, sich mit dieser Rolle des disziplinierten Wasserträgers zufrieden zu geben. Nach dem alten Schauspielermotto „Lasst mich den Löwen auch noch spielen“ drängt er sich ständig in den Vordergrund, versucht selbst den Xabi-Alonso-für-Arme zu geben.
Kopflos im Bernabéu: Lassane Diarra schraubt im Mittelfeld.

Das bewirkt regelmässig – und darauf sollten insbesondere die Lass-Fans, die es durchaus auch gibt, unbedingt achten -, dass Xabi Alonso regelmässig „keine besonders gute Leistung“ in den Spielen attestiert bekommt, in denen er neben dem französischen Selbstdarsteller auf dem Platz stehen muss, sich unwohl fühlt und die Rollenverteilung überhaupt nicht mehr funktioniert.

Nun werden einige sagen: Ja, aber als Außenverteidiger ist er disziplinierter! Das stimmt bis zu einem gewissen Grad auch. Wenn man einem kopflosen Hahn eine lange weisse Linie an die Seite gibt und ihm befiehlt, neben dieser auf und ab zu rennen, dann ersetzt das sozusagen die fehlenden Synapsen durch geographische Beschränkung. Weil wir gerade bei „beschränkt“ sind: Haben Sie beispielsweise das Spiel gegen Granada gesehen?

„El pollo sin cabeza“
wurde – wie Marcelo auf der anderen Seite, um der Wahrheit die Ehre zu geben – problemlos von den andalusischen Weltstars der unteren Tabellenhälfte ausgetanzt. Und wenn Lass es wirklich schaffte, den Ball zu erobern, rannte er befehlsgemäss schnaubend die Linie entlang bis zum Ende. Dort angekommen: Ballverlust – weil er keinerlei taktisches Verständnis besitzt und keinen Plan hat, was nun mit dem Leder anzufangen wäre.
Khedira erfüllt seine Rolle diszipliniert und unspektakulär.
Lass Diarra ist das genaue Gegenteil.

Zu Mourinho gesprochen: Lass weg! Bringt nichts. Weder im Mittelfeld noch als Außenverteidiger, denn auch das macht ein disziplinierter Arbeloa besser. Der mag offensiv nicht die Leuchte sein, doch das braucht es auch nicht. Die überdimensionale offensive Feuerkraft von Real Madrid ist so gross, dass man mit einem effizienten Außenverteidiger perfekt auskommt, der seine Defensivaufgaben so gut erledigt wie der spanische Nationalspieler.

Lassana Diarra, der nach eigenem Bekunden ungern die Aussenverteidigerrolle einnimmt, ist im Mittelfeld aber zweifelsohne die weit grössere Katastrophe. Er schafft es problemlos, jede Ordnung ab der ersten Minute ad absurdum zu führen und ist damit das exakte Gegenteil von mannschaftsdienlich. Ob Khedira, Sahin oder Granero – selbst Micky Mouse würde die Position neben Xabi Alonso besser ausfüllen als der kopflose Hahn.

Zum Schluss zum Einwand, der garantiert kommt: „Mourinho stellt den aber immer auf, der Trainer ist doch kein Depp?!“ – Dazu gibt es in Spanien eine einzige Theorie, die es erklären könnte. Lass hat im vergangenen Sommer keinen Käufer gefunden, der bereit wäre, einen akzeptablen Preis zu zahlen. Offensichtlich versucht man derzeit, Diarra eine ausreichende Bühne zu bieten, um Käuferpotential anzulocken und zu fördern. Denn nur dann besteht Hoffnung, Xabi Alonso und die Fans dürften aufatmen … und im Juli könnte es endlich definitiv heissen: Lass weg!

3 Kommentare zu “Lass weg!

  1. uhupardo sagt:

    Dank an Lassana Diarra dafür, dass er gegen Mallorca die Richtigkeit dieses Artikels wieder so eindrucksvoll bestätigt hat.

  2. […] bis 2015 hat man ihm jetzt nur noch 3,25 Mio. vorgeschlagen. Das passte Lass Diarra, dem “pollo sin cabeza”, gar nicht und er verschwand wegen einer angeblichen Muskelverleztung plötzlich aus dem […]

  3. […] war tatsächlich längst mehr als überfällig, wie wir schon im Januar unter dem Titel “Lass weg” getextet […]

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