Antworten: Verlässt Mourinho Real Madrid am 30. Juni?

Klartext zu aktuellen Gerüchten, Teil 2

Florentino Pérez hat Mourinho nicht verpflichtet, um Barcelona zu schlagen. Nicht deswegen! Er hat diesen Trainer geholt, um Konkurrenzfähigkeit zu beweisen, um nicht von Real Irún und Alcorcón aus dem spanischen Pokal geworfen zu werden, um nicht Jahre hintereinander im Achtelfinale der Champions auszuscheiden, um in der Liga Tabellenführer zu sein mit fünf Punkten Vorsprung vor der Mannschaft, die für das Non-Plus-Ultra des Fußballs gehalten wird.

Niemand hat bisher die Formel gefunden, Barcelona zu schlagen: Nicht Ferguson, nicht Guus Hiddink, nicht Wenger, nicht Ancelotti, nicht Mancini … in dreieinhalb Jahren Guardiola haben es genau drei Mannschaften geschafft, Barcelona außerhalb der Liga zu besiegen: Einmal Sevilla in der Copa del Rey, mit der heiligen Jungfrau auf dem Rasen zur Unterstützung – und zweimal Mourinho. Einmal mit Inter in der Champions und vergangenes Jahr mit Real Madrid in der Copa del Rey.

Es ist nicht wahr, dass Mourinho geholt wurde, um Barcelona zu schlagen. Auch wenn man das dem Publikum seitens der Presse gerne so verkaufen möchte. Und weil die Dinge eben so sind wie beschrieben, gibt es nicht den kleinsten Riss in der Führungsetage des Bernabéu. Florentino Pérez hat sein Schicksal eng verknüpft mit Mourinho, steht heute ebenso komplett hinter dem Portugiesen wie am Tag nach dem Gewinn der Copa del Rey. Niemand soll glauben, man könne Mourinho „aus dem Bernabéu schreiben“ wie das bei Pellegrini zum Beispiel perfekt funktionierte. Es ist schlicht nicht möglich!

 

Jetzt zur anderen Seite der Medaille:

Es ist geradezu niedlich, durch deutschsprachige Fußballforen zu streifen und dem Treiben zuzuschauen. Die Inbrunst der Mourinho-Vergötterung ist total. Das mediale Bild des Drachentöters und Robin Hood des Fußballs hat in Deutschland offensichtlich ganze Arbeit geleistet: Wer den Portugiesen, dieses unbestechliche Genie, in Frage stellt, wird zum Todfeind „unseres Vereins“ erklärt – wie deutsche Vorstadtkinder grimmig versichern, von denen die meisten das Bernabéu gerade noch von Fotos kennen. Das über Jahre mediengerecht aufbereitete Image des „Special One“ hat die Fan-Herzchen der mitteleuropäischen Madrid-Pinguine derartig gefangen genommen, dass sie Gift und Galle spucken, wann immer jemand daran zu kratzen wagt.

Nur das Bernabéu definiert den Verein Real Madrid – sonst nichts und niemand.

So mediengesteuert sie selbst sind, so mutig sind sie gleichzeitig, sich als Scharfrichter über die Madrider Presse aufzuschwingen und über alle, die ihr Glauben schenken. Da wird dem Madrider Publikum erklärt, wen man auspfeiffen darf und wen nicht, wem man zu applaudieren habe und wie der Verein gefälligst auszusehen hat. Warum sollten deutsche Fusball-Fans anders sein als deutsche Touristen, die im Spanien-Urlaub auch genau wissen und jedem ungefragt erklären, wie man zu leben hat?

Tatsache ist: Real Madrid wird eben nicht durch spanische Real-Madrid-Fussballforen definiert – nicht einmal durch wirklich gute wie realmadridfans.org – und natürlich schon sowieso nicht durch irgendwelche deutschsprachigen Stammtische digitaler Art zwischen Schweinshaxe und Schneetreiben. Real Madrid wurde seit immer und wird immer nur ausschlieβlich durch das Bernabéu definiert. Die Führungsetage trifft Entscheidungen und das Stadion-Publikum bewertet sie. Das war der Maβstab, das ist der einzige Maβstab und es wird der Maβstab bleiben.

Mourinho hat sich schon oft geirrt, seitdem er in Spaniens Hauptstadt trainiert.

Das lernt ein Mourinho gerade, der diese Dynamik, wie so vieles, was Real Madrid seit über 100 Jahren ausmacht, bisher nicht ansatzweise begriffen hat. Muss er nicht, glaubt er, weil er ja „kein Madridista sondern ein Professioneller im Fussball-Geschäft“ sei. Nun, er irrt sich gewaltig! In diesem Punkt liegt er vollkommen schief. Er glaubt, er kann Real Madrid als „Söldner“ verändern, von auβen, als betriebswirtschaftlicher Berater quasi ohne innere Verbindung zum Verein – das ist ein folgenschwerer Irrtum, dem die Analyse-Pinguine in den Foren grösstenteils auch auf den Leim gehen.

Nur das Bernabéu entscheidet
und sonst niemand! Diejenigen, die Jahre auf ihren Socio-Ausweis gewartet haben. Diejenigen, die Woche für Woche und oft seit Jahrzehnten auf ihrem Stadion-Platz zu finden sind bei jedem Wetter, Diejenigen, die die erheblichen Eintrittspreise zahlen an jedem Spieltag, ob Liga, Copa oder Champions. Manche wohnen in Madrid, andere fahren hunderte Kilometer zu jeder Partie oder fliegen von den Kanarischen Inseln in die Hauptstadt, um die Mannschaft zu unterstützen. Diejenigen, die zu Hause mit dem Hintern auf dem warmen Bürosessel hocken und Buchstaben tippen, sollen besser nicht glauben, dass sie irgendetwas bewirken können – das gilt für Spanien ebenso wie für jedes andere Land.

Mourinho ist deutlich angeschossen. Nie hätte er geglaubt, dass auch er, der Star-Trainer-mundial, Pfiffe im heimischen Stadion würde ertragen müssen. Um das vor sich selbst und anderen nicht zugeben zu müssen, sucht er jetzt den Nebenkriegsschauplatz. Der „Maulwurf“ müsse gefunden werden, betont er intern immer wieder – derjenige, der die Information über die Gespräche auf dem Trainingsplatz an MARCA weitergegeben hat. Dabei hat er Iker Casillas im Verdacht – und irrt sich schon wieder, denn der Kapitän war´s nicht.

Mourinho hat sich schon oft geirrt, seitdem er in Madrid ist. Damals, als er Málaga und Pellegrini verunglimpfte. Als er mit seinem Finger im falschen Auge stocherte. Als er dem Opfer der Attacke einen „lustigen“ Namen geben musste. Als er beklagte, dass alle gegen Barcelona mit Ersatz spielen und den Kampf verloren geben – bevor er selbst die Stammspieler in der Liga schonte. Als er beklagte, Barcelona würden ständig Vorteile eingeräumt und dann keine Beweise liefern konnte. Als er Pepes unfaire Handlungen mit denen anderer aufrechnen wollte. Und immer dann, wenn er andere niedermacht und das damit rechtfertigt, dass er „kein Heuchler“ sei.

„Punto Pelota“ meldet den Abgang von Mourinho und schafft es mit dieser „Ente“ erstmals, in Spanien wirklich wahrgenommen zu werden.

Der Egomane hat geglaubt, mit seiner persönlichen Brachialschiene Real Madrid verändern zu können. Zuletzt mit einer Aufstellung im Hinspiel der Copa, die die Spieler mit einem „y ahora a rezar“ (und jetzt beten) quittierten, was Mourinho ihnen bis heute übel nimmt. Spanien ist Spanien – in diesem Land gibt es einen bestimmten Kodex, den man kennt oder nicht. Mourinho kennt ihn nicht und schert sich auch nicht drum. Deswegen hat er jetzt Pfiffe im Bernabéu eingesteckt und wäre gut beraten, sie einzustecken wie ein Mann und die „beleidigte Leberwurst“ für bessere Gelegenheiten aufzuheben.

Ob José Mourinho deswegen am 30. Juni den Verein verlässt, wie „Punto Pelota“ versichert, um endlich das eigene Medium aus dem dunklen Keller heraus ans Licht führen zu können? Nein! Das ist zum heutigen Tage nicht seine Absicht. Der Trainer weiß die Direktion hinter sich und wird seinen Vertrag erfüllen, zumindest ist das sein Plan. Nicht nur, weil er Madrid nicht ohne Liga- und Champions-Titel verlassen will. Es geht durchaus auch um Geld. Wenn Mourinho seinen Vertrag vor 2014 zerreißt, zahlt er mehr als 15 Millionen Euro in die Vereinskasse, das ist sogar für den Großverdiener sehr viel Geld.

José Mourinho ist ein Fußball-Trainer. So wie jeder andere Fußballtrainer hängt er von Resultaten ab – und nur von Resultaten am Ende. Gewinnt die Mannschaft (nicht er!) Liga- und/oder Champions, haben wir eine bestimmte Situation am 30. Juni. Erreicht man keinen Titel, ergibt sich eine ganz andere. Danach und nur danach wird sich die Trainersituation im Sommer entscheiden. Nichts anderes zählt.

Seit 1902 gab es viele Mannschaften, viele Trainer – Mourinho ist nur einer davon.

Real Madrid ist Real Madrid! Mourinho ist einer in einer langen Reihe von Trainern. Das genau ist die Relation in dieser Sache. Mourinho sollte seine Arbeit zu Ende führen – wenn die Resultate ihn lassen und wenn er das Bernabéu auf seiner Seite behält. Wenn eins von beidem nicht mehr gegeben ist, fällt er automatisch – was immer auch alle Foren und Blogs dazu meinen. Die Resultate werden sein, wie sie am Ende sind. Eins ist aber sicher: Mourinho wäre gut beraten, einen Teil seiner Söldnerpersönlichkeit schleunigst in Madridista zu verwandeln, denn wenn er weiterhin nicht versteht und auch nicht verstehen will, was hier in der spanischen Hauptstadt überhaupt gespielt wird, ist nicht er es, der am Ende den Vertrag zerreißt.

4 Kommentare zu “Antworten: Verlässt Mourinho Real Madrid am 30. Juni?

  1. kevinschubert sagt:

    Ein sehr schöner Blick hinter die Kulissen. Vom fernen Deutschland kann auch ich natürlich nur das beurteilen, was die Medien uns liefern. Aber auch mir ist aufgefallen, dass Mourinho nicht so recht zu Real Madrid passen will. Mir erscheint es immer so, als ob er, Mourinho, wolle, dass Real zu ihm passt – und nicht umgekehrt. Das passt einfach nicht zu den Königlichen. Selbst Mourinhos Ego ist nicht so groß, dass es sich diesem Verein überordnen könnte. Aber dennoch erscheint es – jedenfalls in der Berichterstattung – momentan so, als ob Mourinho diesen Verein repräsentieren würde. Und das macht Real Madrid aus meiner Sicht momentan auch so unsympathisch, dass man den Verein mit Typen wie Mourinho (und auch Cristiano Ronaldo) verbindet. Typen, die sich nicht einbringen, sondern eher durch ihre Arroganz ausstrahlen. Gerade für einen Verein mit einer solchen Historie finde ich das schade.

    • uhupardo sagt:

      almabu, das ist anzunehmen. Mehr als 15 Mio. sind auch für Mourinho keine Kleinigkeit. Wobei ich generell davon ausgehe, weil er ist, wie er ist, dass Mourinho eher mit dem Sieg als mit der Niederlage gehen würde, wenn der 30. Juni das Thema ist. Mit zwei von drei Titeln traue ich ihm den Abschied (dann allerdings im Konsens mit dem Verein) eher zu als ohne Titel.

      @kevinschubert
      Sie schreiben: „Aber dennoch erscheint es – jedenfalls in der Berichterstattung – momentan so, als ob Mourinho diesen Verein repräsentieren würde.“
      Das ist erklärbar. Präsident Florentino Pérez wurde in seiner vorigen Etappe so oft vorgeworfen, dass er sich zu sehr in sportliche Belange einmischt, dass er sich nun völlig zurückhält. Das ist aus zwei Gründen verständlich – wenn man es aus Präsidentensicht sehen will. Erstens hat Florentino sein Schicksal eng an das des Portugiesen geknüpft und sieht kaum eine Alternative zu dem Portugiesen. Zweitens weiss er – wie Sie und ich – dass der Trainer, so wie er gestrickt ist, jede zweite Woche für Polemik sorgen wird. Greift Pérez einmal ein, wird er es immer wieder tun müssen – also besser gar nicht erst damit anfangen.

      Mourinho schafft es, die Anhängerschaft in zwei Lager zu teilen. Die eine Gruppe klatscht Beifall, „weil endlich mal jemand Klartext redet und den Verein verteidigt“, die andere Gruppe „sieht den Preis, den wir mit Mourinho zahlen, als zu hoch an“. Letztere Gruppe ist diejenige, die im Bernabéu Pfiffe produziert und täglich grösser wird. Mourinho muss auf die Dauer die erste Gruppe zufriedenstellen und darf die zweite Gruppe nicht allzu sehr verprellen mit seinen skurrilen Aktionen, sonst geht es schief.

      Zwei kleine Dinge noch zum Schluss: CR7 muss man vielleicht besser kennen. Er gehört nicht in den selben Sack. Cristiano ist sehr ehrgeizig, zeichnet unabsichtlich manchmal eventuell ein falschs Bild von sich selbst, ist aber ein grossartiger Sportsmann, überaus solidarisch und auch bei seinen Mitspielern aus guten Grund sehr beliebt. Der andere Aspekt, den man nicht übersehen sollte, ist dieser: Real Madrid wurde in jeder Etappe von aussen angefeindet, das bringt „die beste Mannschaft des 20. Jahrhunderts“ einfach mit sich und begann also sicher nicht erst mit Mourinho. Die Fans sind das gewohnt und würden sich darum nicht weiter scheren. Die beschriebene zweite Gruppe sieht allerdings jetzt erstmals solche Kritik von aussen als teilweise berechtigt an und hat keine Verteidigungsstrategie mehr. Das schmerzt, das will man nicht. Deswegen steht Mourinho im Kreuzfeuer – und wundert sich darüber, weil er nicht einmal ansatzweise begriffen hat, was Real Madrid bedeutet. Präsident Florentino Pérez muss sich vorwerfen lassen, es ihm nicht ausreichend erklärt zu haben.

      Dass die wichtigsten Federn des Madrider Journalismus, die den Verein seit Jahrzehnten begleiten, Mourinho keine Träne nachweinen würden, spricht Bände (Roberto Palomar, MARCA, und AS-Chef Alfredo Relaño als Beispiel). Ein Artikel, der es auf den Punkt bringt, ist dieser hier „Mourinho hat die rote Linie überschritten“. Vielleicht mag der eine oder andere den Text durch den Übersetzer jagen.
      http://www.marca.com/blogs/tribuna-y-tribuneros/2012/01/25/mourinho-cruzo-la-linea-ii.html

  2. almabu sagt:

    „…Wenn Mourinho seinen Vertrag vor 2014 zerreißt, zahlt er mehr als 15 Millionen Euro in die Vereinskasse, das ist sogar für den Großverdiener sehr viel Geld…“

    Da wird er wohl den einen oder anderen Pfiff im Bernabeu zu überhören lernen?

  3. Bernhard Kohn sagt:

    Hallo Leute! Das ist ja nur ein Spiel, oder? Einmal an die Stange statt ins Tor und Trainer, Spieler und Klubleitung sind Versager und Verbrecher, einmal ins Tor statt an die Stange und die selben Leute sind Helden. Und irgendwie ist das ja das Schöne an der ganzen Kickerei, man kann nicht alles kaufen.

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