Portugals Regierung knickt ein: Lohnsenkung findet nicht statt

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Da soll mal einer sagen „Protest nützt ja doch nichts …“!  Pedro Passos Coelho, Portugals Regierungschef, hat die geplante siebenprozentige Lohnsenkung für alle Bürger des Landes abgesagt.  Coelho wurde durch die Proteste aus allen Ecken des Landes in den vergangenen zwei Wochen derart in die Ecke getrieben, dass ihm nichts mehr anderes übrig blieb.  Es wird die siebenprozentige Lohnsenkung für alle Portugiesen nicht geben.  Kein Platz für Euphorie, die Küzungen werden woanders erfolgen; doch die Portugiesen feiern zunächst den Sieg über die eigene Regierung.

Gestern, nach einer Marathon-Sitzung des Ministerrats und mit Tausenden von Demonstranten vor der Tür, verkündete man in den frühen Morgenstunden, man werde „Alternativen zu dieser Massnahme suchen“.  Noch vor zwei Wochen hatten wir ausführlich darüber berichtet, dass der Arbeitnehmerbeitrag zur Sozialversicherung von 11 auf 18 Prozent steigen sollte. Oder im Klartext: Sieben Prozent weniger Lohn und Gehalt landesweit. Zugleich sollten die Sozialabgaben der Unternehmen von 23,75 auf 18 Prozent gesenkt werden, um “die Einstellung von Arbeitskräften zu fördern”. Das hatte Regierungschef Coelho höchstpersönlich live im Fernsehen verkündet.

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Danach hatte es Proteste nur so gehagelt. Vor einer Woche protestierte etwa eine Million Portugiesen in 40 Städten, ohne Absprache mit Gewerkschaften oder anderen Organisationen, angestossen und koordiniert einfach nur über Facebook und andere Kommunikationsnetze. Auch die Unternehmer protestierten, die Gewerkschaften, die Sozialdemokraten, Wirtschaftsfachleute, die gesamte Presse und sogar die Partei CDS, Regierungspartner von Coelho. Alle forderten die Konservativen auf, diese Massnahme zurückzunehmen, denn sie sei nicht nur ungerecht sondern auch ineffizient. Nach anderthalb Jahren knallharter Sparprogramme sei die Bevölkerung ausserdem an der Grenze ihrer Leidensfähigkeit angekommen, hiess es. Am Montag will Coelhos Regierung nun die Alternative zur kollektiven Lohnsenkung bekanntgeben.

21 Kommentare zu “Portugals Regierung knickt ein: Lohnsenkung findet nicht statt

  1. Denen wird schon irgendwas fieses einfallen, zum Beispiel Umsatz- und andere Verbrauchssteuer-Erhöhungen. Das klingt schöner und hat den selben Effekt.

    Vor allem aber: Meine herzlichen Glückwünsche an das portugiesische Volk!

    • uhupardo sagt:

      Genau so ist es: „Vor allem aber…“

      Denn selbstverständlich wird Coelho andere Quellen anzapfen, die in der Sumjme auch für mehr Verelendung in Portugal sorgen. Doch es ist eben nicht egal, wie etwas geschieht. Hier hat sich das Volk durchgesetzt – und zwar ohne Anschub durch egal wen. Die Bevölkerung allein hat die Brüssel-hörige Regierung gezwungen, diese Massnahme zurückzunehmen. Das ist nicht zuletzt ein Sauerstoff-Ballon für die Moral derjenigen, die nicht bereit sind, sich mit allem schweigend abzufinden.

      • Das ist nicht zuletzt ein Sauerstoff-Ballon für die Moral derjenigen, die nicht bereit sind, sich mit allem schweigend abzufinden.
        Einverstanden. Und: Warte ab, bis auch in Deutschland das Fass voll ist und überläuft!

        • uhupardo sagt:

          Vor oder nach der Fusion benachbarter Milchstrassen?

          • Bevor die benachbarten Milchstraßen überhaupt anfangen, über eine Fusion nachzudenken.

            KenFM: WERDET MILITANT!

            • uhupardo sagt:

              Da kann man die Muskeln im zweifelnden Gesichtsausdruck kaum noch beherrschen. Ein Wunder müsste geschehen angesichts der völlig ungestörten Grabesruhe in einem Land, in dem die Kanzlerin, die alles dafür tut, ganz Europa an den Rand des Bürgerkriegs zu treiben, einen Beliebtheitsfaktor geniesst wie kaum ein Politiker jemals.

              • „Grabesruhe“ – wie immer.

                ….
                Hallo Uhupardo, Sie glauben doch nicht, dass die „kritische Masse“ in Deutschland je erreicht wird, in der die Unzufriedenheit sich auf die Straße ergießt. Erst wenn die Lebensbedingungen sich denen Griechenlands annähern sollten, könnte das möglich werden. Das war mal 1918 der Fall, als der Leidensdruck viel größer war als heutzutage.

                Ein politisches Freiheitsbewußtsein fehlt ganz allgemein, das ist uns in den letzten 80 Jahren total aberzogen worden. Das einzige bißchen Selbstbestimmung gab es in Deutschland von 1918 bis 1933. Der Rest war Diktatur für 12 Jahre und 57 Jahre Besatzungsrecht.

                Die Menschen sind inzwischen so sehr an ihren Grillabend mit Bier und Oktoberfest gewöhnt, wenn sie sich nicht gerade vom Fernsehen verdummen lassen. Das war wohl immer so, sonst hätte Goethe das nicht so trefflich in Auerbachs Keller (Faust I ) dargestellt.

                Die Kanzlerin sorgt für die nötige gute Stimmung, darum ist sie so schrecklich beliebt. – Ehrlich gesagt weiss man gar nicht, wem man bei den nächsten Wahlen die Stimme geben sollte.

                Über die transportierte Ausbeutung durch Deutschland ist hier ein Link zu Prof. Bontrups Vorlesung:

                http://kopfstaendler.blog.de/2012/09/21/5-konten-volkswirtschaft-versagen-politik-gewerkschaft-14852854/

                Wären in Deutschland die Löhne ordnungsgemäß angehoben worden, hätten die Länder der EURO-Zone bessere Chancen auf den Weltmärkten erhalten.

              • Seit wann stimmen diese Beliebtheitsfaktoren?
                Auf diese (verlogene) Art und Weise wurde bereits ein gewisser gutter Berg hochgejubelt, ein Gauckler zum Bundespräsidenten der Herzen gemacht.
                Sie spiegeln nicht die Stimmung im Lande wider, obwohl die Meinungsmacher mit aller Macht versuchen, diese zu erzeugen.

                Dein Ausdruck Grabesruhe, Betonung auf GRAB ist allerdings treffend – an der Oberfläche.

                Außerdem ist es wohl bei keinem Volk anders: Die Menschen stehen erst auf, wenn’s ans Eingemachte geht, wenn es keine andere Möglichkeit mehr gibt, wenn die Schmerzgrenze mehrfach überschritten wurde. Das war in Griechenland, in Portugal und auch in Spanien so. Da diese Grenzen in den anderen europäischen Ländern noch nicht erreicht ist, ist es da auch noch still.
                Da die Psychologen dieses Wirtschaftskrieges dieses Verhalten der Menschen kennen, brechen sie ja auch ein Land nach dem anderen heraus, und bringen nicht alle auf einmal zu Fall. Dann hätten sie nämlich ein wirkliches Problem. So erledigen sie – eines nach dem anderen, schön genüßlich und langsam – im Endeffekt auch alle.

                Soll ich jetzt den Menschen mangelnde Solidarität mit den anderen Völkern vorwerfen? Ja, das könnte ich, denn die Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker, wie José Martí einst so treffend sagte.

                Jedoch halte ich den Menschen noch immer zugute, dass ich keine Kraft sehe, der es lohnt zu folgen. Ich sehe keine Kraft, die eine Idee hat (außer kosmetische Verbesserungen, die nichts grundlegend ändern), WOHIN eine Rebellion führen sollte. Warum aber sollte jemand ziellos auf den Straßen herumrennen und sich verprügeln lassen?
                Nur GEGEN irgend etwas zu sein hilft nur denjenigen, die unsere Gewalt brauchen (auch wenn die Machthaber sie durch ihre Agenten selbst provozieren oder gar initiieren), um ihre Gewalt gegen uns alle rechtfertigen und ausüben zu können.
                Nur FÜR etwas einzutreten aber schafft Veränderung. Dieses FÜR sehe nirgends.
                Und so geht es wohl den meisten Menschen und darum ist in den meisten Ländern Europas Grabesruhe, die auch als die Ruhe vor dem Sturm gewertet werden kann. Sobald eine gangbare und akzeptable Alternative an die Öffentlichkeit und in die Mehrheit der Menschen gelangt (okay, 5 % reichen für den Anfang), dann wird es damit ganz schnell vorbei sein!

              • Ulrich sagt:

                Wenn es möglich ist das zu einer Party über Facebook 30 000 Menschen anreisen sollte es nach Portugiesischem Vorbild auch möglich sein, die Grabesruhe zu Überwinden, wir benötigen ein Gesamteuropäisches Projekt um gegen diese EU/EZB vorzugehen. Meinen Glückwunsch den Portugiesen aber wie vorher schon beschrieben, werden die das Geld über Bande ein zu lochen versuchen. Kein Wunder müsste geschehen um denen ins Handwerk zu pfuschen, Europa den Menschen nicht den Banken und das über Facebook, so lange es noch geht/steht!

              • gamundius sagt:

                Hallo uhupardo,

                auch mir mißfällt die „Friedhofsruhe“ in D.
                Die sogenannten Beliebtheitswerte der Kanzlerin halte ich auch für artifiziell.
                Dennoch sollte man immer im Auge behalten, daß entgegen des Glaubens der großen Mehrheit Deutschland immer noch nicht souverän ist.

                Trotz der offiziell verkündeten Rechts- und Vertragslage muß jeder deutsche Kanzler seine sog. „Antrittsreise“ bei den Westmächten machen und dabei unterschreiben, daß er von der Souveränität keinen Gebrauch macht!

                Die USA wedeln praktisch mit dem deutschen Schwanz den europäischen Hund!

                Deshalb nützt ein „Regierungswechsel“ nichts.

                • uhupardo sagt:

                  Die Bevölkerung protestiert nicht, weil sie nicht weiss, dass das nichts nützt. Oder wie?

                  Versuchen Sie doch mal, ihre Steuern nicht zu bezahlen oder einem Polizisten zu erklären, dass der gar kein Knöllchen ausstellen darf, um zu erfahren, wo der Stellenwert dieses Souveränitäts-Thema wirklich liegt. Inzwischen kann man kaum noch Artikel über Kochrezepte oder Golfturniere veröffentlichen, ohne dass das Souveränitätsthema angeblich die Basis von allem bietet.

      • Estou um bocadinho orgulhosa 😉

  2. fischi sagt:

    Klar wird die Regierung nicht aufgeben.
    Sonst brennt die Luft beim nächsten Rapport bei Merkel und dem Menschenhasser.
    Ich denke aber eher, dass die Streiks, besonders in den Häfen, Wirkung gezeigt haben.
    Und da war noch etliches angekündigt.

  3. fidel sagt:

    Eine beeindruckende Leistung im gesellschaftlichen Konsenz!

    Wenn im Oktober alle EU Bürger dafür demonstrieren, dass die EZB zu Weihnachten jedem Einwohner 1 000 000 Euro überweist, demonstriere ich mit!

    Leider wird das nichts daran ändern, dass der Kapitalstock der Gesellschaften aufgebraucht ist und die Verarmung entweder über Deflation alternativ Inflation kommen wird.

    Ob wir das demokratisch begreifen oder nicht, ändert nichts.
    Ob wir vorher noch Vermögen um-fair-teilen hat höchstens Auswirkung auf die Dauer der Depression.

    Die Dauer der Depression wird so lange sein, bis die Gesellschaften wieder echte Ersparnisse gebildet haben, auf deren Basis in die Zukunft investiert werden kann. (Anlagen, Bildung, und dann ganz am Schluss eventl. auch Häuser)

    Es ist symphtomatisch, dass diese Einsichten durch Armut erzwungen werden müssen.

  4. uhupardo sagt:

    Wie im Artikel vermutet wurde, kamen heute die neuen „Vorschläge“ für Kürzungen:
    Urlaubs und Weihnachtsgeld, wo es das noch gibt (also kaum irgendwo), Rentenkürzungen und Verbrauchssteuern rauf. Die Gewerkschaften haben gleich abgewunken, aber man wird es abwarten müssen.

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