Drastisches Sparprogramm und Steuererhöhungen in Spanien

Jeder, der es wissen wollte, hat es gewusst. Vor allem Mariano Rajoy (PP), der schon seit Monaten innerhalb seiner Partei darüber redete, dass das Defizit acht Prozent erreichen würde. Nur öffentlich durfte vor der Wahl keinesfalls darüber gesprochen werden. Deswegen hatte der jetzige Regierungschef im Wahlkampf hundertmal angekündigt, es werde keine Steuererhöhungen geben. Jetzt, mit der absoluten Mehrheit in der Tasche, ist alles plötzlich ganz anders: Steuererhöhungen (6,2 Milliarden) und der grösste Einschnitt aller Zeiten, was die öffentlichen Ausgaben angeht: 8,9 Milliarden Euro.


Soraya Saenz de Santamaría musste den Kopf hinhalten.

Das ist nur „der Anfang vom Anfang“, wie Vize-Regierungschefin Soraya Sáenz de Santamaría in Madrid verkünden musste, weil Mariano Rajoy so zu vermeiden wusste, dass es auch nur ein einziges Bild- oder Tondokument von ihm selbst geben konnte, das ihn mit den Einschnitten in Zusammenhang bringt.

Das Staats-Defizit werde nicht, wie vorgesehen, sechs sondern acht Prozent betragen, sagte sie und Finanzminister Cristóbal Montoro liess durchblicken, die linke Vorgängerregierung habe den Konservativen „und allen Spanien“ diesbezüglich nicht die Wahrheit gesagt. Tatsache ist aber, dass in Rajos Partei schon seit Monaten genau diese acht Prozent im Gespräch waren – intern und leise natürlich.

Das bedeutet, dass nun 36 Milliarden eingespart werden müssen, um das Defizit wie vorgesehen auf 4,4% drücken zu können. Bisher war immer und ausschliesslich von 16,5 Milliarden gesprochen worden. So wie es auch in Portugal vorher passiert war: Die Konservativen gewannen dort die Wahl mit dem Versprechen, die Steuern nicht zu erhöhen. Nach der Wahl kam die Steuererhöhung. Nun ist Spanien dran.

Noch in der Antrittsrede hatte Regierungschef Rajoy Steuerhöhungen ausgeschlossen: „Ich werde meine Versprechen halten!“ Alles Verbalqualm, jetzt kommt die Erhöhung und sofort. Rajoy, der von David Cameron gelernt hatte, dass die Wahl verliert, wer zu früh Klartext redet, hatte keine der jetzt verkündeten Massnahmen je erwähnt. Nun, mit der absoluten Mehrheit in der Tasche, will er die Sense so früh wie möglich in der Legislaturperiode schwingen.

Die Einschnitte sind enorm, brutal, betreffen jeden und werden Spanien weiter in die Rezession treiben. Dabei setzt Rajoy auch Projekte um, für die er die vorher regierenden Sozialdemokraten regelrecht dämonisiert hatte: Einkommen oberhalb 300.000 Euro werden jetzt mit 55 Prozent besteuert. Alle anderen Stufen werden auch angehoben, allerdings nicht so drastisch. Wirtschafts- und Finanzminister beeilten sich zu beschwichtigen: „Das sind temporäre Massnahmen! Nur für 2012 und 2013!“ Fast nebenbei wurde verkündet, dass die Immobiliensteuern ebenfalls angehoben werden.
Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern! Rajoy hatte Steuererhöhungen kategorisch ausgeschlossen – und wollte jetzt nicht auf´s Foto.

Doch das ist noch längst nicht alles: Die Gehälter der Beamten wurden eingefroren, dafür aber die Arbeitszeit verlängert. Der Mindestlohn wurde ebenso eingefroren. Einstellungs-Stopp: Nur zehn Prozent der in Rente gehenden Beamten und Angestellten des Öffentlichen Dienstes werden zukünftig ersetzt – 90 Prozent der Lehrer oder Ärzte fallen also einfach weg. Das Auswärtige Amt bekommt 1,1 Milliarden Euro weniger, der Punkt „Internationale Kooperation“ (oder Entwicklungshilfe) hat sich damit praktisch erledigt.

8,9 Milliaden über das Sparprogramm, weitere 6,2 Milliarden über die Steuerhöhungen machen zusammen 15 Milliarden: Der Anfang vom Anfang: Bis zu den angepeilten 36 Milliarden, die einzusparen sind, bleiben 21 Milliarden, die vermutlich mit dem Jahresbudget im März verkündet werden. Spanien geht harten Zeiten entgegen. Die konservative Rajoy-Regierung sollte sich lange und intensiv über ihren Wahlsieg freuen. Bei diesem Panorama wird es für lange Zeit der letzte gewesen sein.

*Lesen Sie dazu auch:
Euro-Krise? – Lächerlich!

10 Kommentare zu “Drastisches Sparprogramm und Steuererhöhungen in Spanien

  1. Ob sich die Spanier DAS gefallen lassen?

    • uhupardo sagt:

      Nein, Solveigh, das werden sie sich nicht gefallen lassen. Spätestens nicht, wenn die zweite Runde der Einschnitte (März) erfolgt. Gerade nach der gebetsmühlenartigen Ansage „keine Steuererhöhungen“ wird der Aufstand folgen. Reine Zeitfrage. Merkels Musterschüler überschätzt die Leidensfähigkeit des Landes.

  2. [quote]Nun, mit der absoluten Mehrheit in der Tasche, will er die Sense so früh wie möglich in der Legislaturperiode schwingen.[/quote]

    Er hat seinen Machiavelli gut gelesen, denn dort heißt es, daß der Fürst die notwendigen Morde zu Beginn seiner Amtszeit begehen solle, während er am Ende seiner Amtszeit die Wohltaten zu verteilen habe, damit er der Bevölkerung als gütiger Herrscher in Erinnerung bleibe. Bleibt nur für alle Staaten die Frage, was denn da am Ende ggf. zu verteilen wäre, wenn alles kaputtgespart ist.

    • uhupardo sagt:

      Dem ist wenig hinzuzufügen, Richard. Bis auf die Tatsache, dass das wirklich erst der Anfang war. Beamte, Mindestlohn und Ministerien-Kürzungen ausgeschöpft, geht es in der zweiten Runde des Sparprogramms wirklich ans Eingemachte. Bald auf dieser Welle …

  3. … und hinzuzufügen wäre noch, daß letztlich die Opfer der Sparpolitik auch in Spanien mal wieder jene sind, die für die Finanzkrise eigentlich nichts zu tun haben. Wie in Deutschland: Da hatte auch die konservativ-liberale Regierung Merkel zugesagt, daß sich alle an der Finanzierung der Krise beteiligen sollten. Die Realität sind dann so aus: Die Kürzungen bei Hartz IV sind in Kraft getreten; Hartz-IV-Empfänger bekommen keinen Rentenbeitrag mehr bezahlt. Die Abgabe für das Flugbenzin wurde von den Unternehmen auf die Fluggäste abgewälzt, die Brennelementesteuer vom Gericht wieder kassiert und ob die angekündigte Finanztransaktionssteuer kommt, steht in den Sternen.

  4. donfurioso sagt:

    Danke fuer den Artikel, Uhupardo! Ich habe gelesen, dass die Renten das einzige Gebiet ist, in dem nicht gespart wird. Wuerden Sie sagen, dass in Spanien Alt gegen Jung ausgespielt wird? Wie stabil ist Spanien wirklich – angesichts der Geschichte? Wie stehen die Regionen (Katalonien, Kastilien etc) zueinander? Gibt es noch soetwas wie social cohesion?

  5. uhupardo sagt:

    Die Renten (Wahlversprechen) werden nicht angegriffen. Dass Alt gegen Jung ausgespielt wird, kann man sicher nicht sagen. Rajoy lässt sich auf Merkels Spiel ein: Sparen fast ohne Limit. Noch drückt er sich zum Beispiel um eine Mehrwertsteuer-Erhöhung. Auch die wird kommen, weil es kaum andere Möglichkeiten gibt, weitere 21 Milliarden einzusparen.

    Spanien ist ein sehr stabiles Land und vor allem ungeheuer solidarisch, sowohl untereinander als auch nach aussen. Darum mache ich mir vorerst wenig Sorgen. Rajoy allerdings sollte sich mittelfristig (6 Monate maximal) auf einen geharnischten Proteststurm gefasst machen, der ihm viel Schlaf rauben wird. Spanien ist sehr tolerant und langmütig, aber wenn man erstmal beschlossen hat, sich zu erheben …

    Die Lage unter den Autonomias (Länder) ist ebenfalls stabil. Mit mehr Scharmützeln, als man das in Deutschland kennt und gewohnt ist, aber das ist unsere Tradition, die man nicht zu hoch hängen sollte. Einen einzigen Vorteil hat die absolute Mehrheit der Rajoy-Regierung jetzt: Bisher regierte Zapatero lange Jahre ohne Mehrheit (in Deutschland undenkbar, aber die Wiege der Demokratie).

    Deswegen musste er sich wechselnde Mehrheiten für die Einzelentscheidungen beschaffen. Dazu braucht man dann die nationalistisch angehauchten Parteien aus Katalonien, dem Baskenland oder von den Kanarischen Inseln. Die sind vorrangig „nationalistisch“, weil es die eigenen Taschen füllt, lassen sich ihre Zustimmung also jedes Mal in irgendeiner Weise abkaufen. Das hat die PP nun nicht nötig, womit angeblich nationalistische Töne wesentlich leiser werden, denn sie können nicht in klingende Münze verwandelt werden.

    Falls ich etwas vergessen habe zu beantworten, bitte einfach nachfragen.

  6. […] Rajoy und seine konservative PP mit absoluter Mehrheit ans Ruder kamen! Die Strategie war klar: Zuerst ein paar kosmetische Reformen und die wirklich schmerzhaften Kürzungen bis nach der Andalusien-Wahl verschieben. Andalusien war […]

  7. […] Artikel zum Thema: * Drastisches Sparprogramm und Steuerhöhungen bereits im Dezember * Subventionen für erneuerbare Energien komplett gestrichen * Spanien soll jetzt transparent […]

  8. […] gegen Arbeitsmarktreform * Bestandsaufnahme in der Krise … und wie geht´s weiter? * Drastisches Sparprogramm und Steuererhöhungen bereits im Dezember * Rajos Fahrplan ist entgleist Bewerten: Share […]

Hinterlasse einen Kommentar