Vorerst erfolgreich: USA treiben Euro-Länder nach Belieben vor sich her

Der Wirtschaftskrieg zwischen New York und London einerseits und Europa andererseits hat bisher einen klaren Sieger: Die USA treiben die europäische Währung nach Belieben vor sich her, um die Dollar-Dominanz und damit die eigene Vormachtstellung zu sichern. Das Waffenarsenal der Rating-Agenturen reicht dazu bisher vollkommen aus.

Gerade war die Situation ein bisschen ruhiger geworden: Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte die Banken mit Geld überschüttet, um auf diesem Umweg den Ankauf von Staatsanleihen anzuschieben. Das klappte perfekt: Italien und Spanien konnten sich plötzlich zu endlich akzeptablen Zinsen ausreichend refinanzieren. Ruhe in Europa aber ist Gift für die Wall Street. Gerade während der US-Wahlkampagne muss unbedingt vermieden werden, dass sich die Schuldendiskussion quer über den Atlantik verlagert.

Bisher sorgen allein die Kanonen der US-Rating-Agenturen problemlos für Sieger und Besiegte.

Als Ergebnis wertete die US-Rating-Agentur Standard & Poor´s in einem Rundumschlag neun europäische Länder ab. Danach schlug der kleinere Bruder Egan Jones zu und stufte Deutschland von Triple A auf „AA+“ herab. Schon kochte der Kessel im alten Kontinent wieder, die Panik war erneut ausschliesslich auf Europa focussiert. US-Staatsanleihen waren plötzlich wieder gefragt, ihre Zinsen sanken. Die Flucht der Investoren aus dem Euro bekam einen neuen Turbo.

Solange dieses Rezept funktioniert, wird keine Ruhe einkehren. Im Prinzip ist die „Euro Krise lächerlich“, wie jedem klar wird, der sich allein die Masse der faulen US-Derivate anschaut, von den realen Schulden der Nordamerikaner ganz abgesehen. Doch wenn der jüngste Bericht GEAB No.61 die „Zeitenwende der Machtverteilung“ gekommen sieht und die Situation in Europa (aus Eigeninteresse) schön schreiben will, ist dieser Ansatz verfehlt. Solange sich die Euro-Länder nicht komplett von den Rating-Agenturen distanzieren und mittels Gründung einer eigenen Agentur emanzipieren, wird der blinde Gehorsam internationaler Anleger eine Besserung der Situation verhindern.

Die USA, ein stolzes und reiches Land? Egal, wer gewinnt: Nach den Wahlen dürfte sich die Diskussion mehr und mehr über den Atlantik verlagern.

Trotzdem ist damit zu rechnen, dass die Zeit bis zum System-Kollaps abläuft, und der Todesstoß dürfte tatsächlich auf der anderen Seite des Atlantiks erfolgen, wie wir schon Mitte November in unserem Artikel „System-Crash kommt nach den US-Wahlen“ dargestellt hatten. Bis dahin dürfte es New York und den Helfershelfern in London gelingen, immer wieder für ausreichend Euro-Störfeuer zu sorgen, um die Aufmerksamkeit von sich selbst abzulenken. Allerdings zwingt man Europa auf diese Art auch, sich immer mehr von den USA und Grossbritannien abzugrenzen, die Konfrontation spitzt sich zwangsläufig zu.

Der Weg zur Einsicht, dass die „Krise nur im Kopf“ stattfindet, ist offensichtlich weit und steinig.

6 Kommentare zu “Vorerst erfolgreich: USA treiben Euro-Länder nach Belieben vor sich her

  1. Bartleby sagt:

    Ein langer Kommentar hier erübrigt sich, den habe ich praktisch letzte Woche hier geschrieben: http://kartothek.wordpress.com/2012/01/13/bleifreier-krieg-unter-ehemaligen-verbundeten/

    Die Krise findet aber nicht nur im Kopf statt, sondern macht viele arm. Ich denke, dass sie die Schmerzen nicht im Kopf haben.

    • uhupardo sagt:

      Vielen Dank für Ihren interessanten Artikel, der hier wirklich perfekt hin passt.

      Wenn Sie den Artikel „Krise nur im Kopf“ ganz lesen, verstehen Sie bestimmt, wie er gemeint ist. Dass die Krise viele Menschen ins Unglück stürzt, ist davon nicht betroffen und natürlich eine Tatsache.

  2. Die Kritik an Rating-Agenturen mag durchaus in vielen Punkten berechtigt sein, entbehrt inzwischen allerdings jedweder Rationalität. Allein Egan Jones hier als politisches Druckinstrument zu betrachten halte ich für falsch. Die Agentur stufte Deutschland nicht zum ersten mal herab. Auch lohnt es sich, einen Blick in den fernen Osten zu werfen. Die chinesische Rating-Agentur Dagong agiert wesentlich härter gegen den Euro-Raum.
    Letztendlich kommen die Agenturen ihrer Aufgabe nach, für ihre Kunden Risikoabwägungen zu treffen und sind folglich auch auf halbwegs vernünftige Bewertungen angewiesen, um Vertrauen in eben diese erzeugen sowie halten zu können.

    • uhupardo sagt:

      Nicht falsch verstehen, Michael: Rating-Agenturen zu kritisieren, ergibt in der Tat keinerlei Sinn. Die tun exakt das, wofür sie bezahlt werden. So wie Unternehmer nur eine einzige Aufgabe haben (in der kürzesten Zeit mit dem geringsten Aufwand das meiste Geld verdienen) und deswegen nicht kritisiert werden können.

      Die nötige Reaktion kann also nur bei denen liegen, die Wert auf die Aussagen der Agenturen legen, die Lehman Brothers eine Woche vor der Pleite mit Triple A einstuften (Sie sagten „halbwegs vernünftige Bewertungen“?). Ausserdem müssen sich die Regierungsländer der EU die Frage stellen lassen, warum es nicht längst europäische Rating-Agenturen gibt.

  3. Ein Unternehmen hat nicht zwangsläufig die Aufgabe, in kürzester Zeit möglichst viel Gewinn mit einem Mindestaufwand zu erwirtschaften. Zahlreiche Familienunternehmen, viele Stiftungen, Mittelständer oder Kleinbetriebe werden hier gewiss in anderer Art und Weise agieren.

    Wieso brauchen wir eine europäische Rating-Agentur? Diese würde höchstwahrscheinlich noch stärker politisiert werden als die amerikanischen.

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