Neuer Protest in Madrid: Heute geht es wieder zum Parlament

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An diesem Samstag ist neuer Protest angesagt in Madrid. Da die Veranstaltung nicht offiziell angemeldet wurde, kann man nur hoffen, dass es halbwegs friedlich bleibt heute Abend vor dem Parlament. Gegen den „sozialsten Staatshaushalt in der Geschichte“ soll demonstriert werden. Das Organisationskommitee 25-S sieht keine Notwendigkeit einer administrativen Anmeldung dieser Aktion. Die Verfassung garantiere die Versammlungsfreiheit in Spanien ohne jede Notwendigkeit vorheriger Autorisierung, heisst es, ausserdem „ist der Protest an sich längst angemeldet“. Die Regierung sieht das ganz anders.

Mit einem Marsch durch die grossen Avenidas der Hauptstadt soll es losgehen: Callao, Gran Vía, Alcalá und Cibeles. Danach zum Parlament, wie schon am 25. September, als 1.400 Polizisten die Politiker vor den Bürgern schützen wollten und der Abend in Krawallen endete, auch befördert durch Polizisten in Jeans, die als Agent provocateur auftraten, wie später bewiesen werden sollte. Es wird damit gerechnet, dass sich viele Demonstranten aus anderen Teilen Spaniens diesem Marsch anschliessen werden.

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Die Konfrontation ist beinahe programmiert. Während das Organisationskommitee 25-S davon ausgeht, dass die Verfassung Versammlungsfreiheit generell garantiert und der Protest längst „angemeldet“ ist, besteht die Regierung auf den administrativen Wegen. So pocht die Rajoys Vertreterin in Madrid, Cristina Cifuentes, auf die Gesetzesvorschrift Ley Orgánica 9/1983, die besagt, dass „Zusammenkünfte und Demonstrationen auf öffentlichen Wegen und Plätzen von den Veranstaltern schriftlich angemeldet werden müssen“. Deswegen, so Cifuentes, werde die Polizei am heutigen Samstag „mit dem Gesetzbuch in der Hand die Legalität sicher stellen“ und die öffentliche Ordung wahren „für den Fall, dass es Zwischenfälle gibt“.

Bereits am vergangenen Dienstag identifizierte die Polizei gleich die ersten Demonstranten und notierte sich die Personendaten mit dem Hinweis, die Veranstaltung sei nicht angemeldet worden, deswegen hätten die Teilnehmer mit Sanktionen zu rechnen. Schon 24 Stunden später eröffnete das Büro der Regierungsvertreterin in Madrid entsprechende Verfahren gegen 50 Teilnehmer der Demo, was vom Organisationskommitee 25-S als „Strategie der Kriminalisierung durch die Regierung“ eingestuft wurde. Es würden sogar Personen belangt, die sich zufällig an Ort und Stelle aufhielten und gar nicht am Protest teilnahmen.

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Heute Abend ist vermutlich nicht mit einer sehr grossen Beteiligung am Protestmarsch zu rechnen, denn die Vorankündigungszeit ist extrem kurz. Dennoch ist die Nervosität der spanischen Regierung deutlich spürbar. Man weiss genau, dass es jetzt keine Ruhe mehr geben wird, und Rajoy ist jeder öffentliche Protest einer zu viel, denn die Drohung der „Härte des Gesetzes“ schreckt die Menschen nicht mehr, die in der Krise in die Armut getrieben werden. Mehr als der eigene Verlust macht zunehmende soziale Ungerechtigkeit die Menschen wütend. Diesem Gefühl wollen sie auch heute Abend Ausdruck verleihen. Wir werden nötigenfalls live darüber berichten, sollte es zu nachhaltigen Zwischenfällen kommen. Ansonsten lesen Sie die Zusammenfassung am Sonntag.

17 Kommentare zu “Neuer Protest in Madrid: Heute geht es wieder zum Parlament

  1. almabu sagt:

    Spanische Behörden haben zwar gerne eine ausgeprägte Neigung zur Bürokratie, die der deutschen keinesfalls nachsteht, aber mit diesem Demo-Formalismus sollen freie Bürger gemaßregelt, gedemütigt und davon abgeschreckt werden ihre demokratischen Rechte wahrzunehmen, die auch ein PP-Rajoy-Regime des Typs Franco-Reloaded 2.0, nicht so schnell außer Kraft schaffen kann, sonst gibt es richtig Ärger und nicht nur in Madrid vermutlich?

    Was die Zivil-Polizei, in ihrer Eigenschaft als „agente provocateure“ betrifft, stellt sich mir die Frage, ob Aufforderung und Teilnahme zu und an Straftaten nicht ebenso strafbewehrt ist, wie mögliche, daraus folgende Reaktionen von Demonstranten? Es wäre also vielleicht nicht schlecht, Möglichkeiten und Voraussetzungen zu schaffen, diese zu identifizieren, ihre Taten zu dokumentieren und sie vielleicht zu immobilisieren und als brave Bürger an die Staatsmacht zu übergeben und entsprechend Anzeige gegen sie zu stellen? Nur mal so angedacht…

  2. Johannes Eber sagt:

    Mitten in der schweren Krise steigen auch in Spanien die Produzenten/Erzeugerpreise und führen somit alle bisherigen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit „ad absurdum“.
    Der „Producer Price Index (IPRI) veröffentlicht vom spanischen Statistikamt „Instituto Nacional de Estadística (INE), stieg im September 2012 um + 3,8 % zum Vorjahresmonat auf 129,3 Indexpunkte. Das postulierte Ziel der Wettbewerbsfähigkeit mittels interner Abwertung wird so auch in Spanien niemals erreicht, denn schrumpfende Löhne und Sozialleistungen alleine, greifen erheblich zu kurz um die Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen. Sinken müsste auch das allgemeine Preisniveau, die Konsumentenpreise, Großhandelspreise, Exportpreise sowie Produzentenpreise. Nur all diese Preisindizes steigen weiter und konterkarieren somit eindeutig eine avisierte Wettbewerbsfähigkeit. Den Rest kann man sich denken nur die spanische Regierung nicht.

    • Andreas Schmitt sagt:

      Die Preise steigen nicht, die Unternehmer erhöhen die Preise, weil sie bei geringerem Absatz ihre Gewinne und Umsätze retten wollen. Das wird nicht gelingen, das stimmt dann schon. Es wird nicht gelingen, weil seit 30 Jahren, nach Neoliberalem Dogma, die Unternehmer den Markt nur als Absatzmarkt betrachten. Die Nachfrage ist dann die Folge des Angebotes, also wenn ich mehr Ware anbiete, dann muß ich den Preis senken. Umgekehrt, wenn ich weniger Ware anbiete, dann kann ich den Preis erhöhen! Das ist das Denken der neoliberalen BWL und VWL, völlig irre. Sie verstehen nichts von Arbeitslosigkeit, es sind die Arbeitslosen selbst an ihrer Arbeitslosigkeit schuld! Tolle Einstellung, jetzt bleibt die Nachfrage weg, also die neoliberale Reaktion ist eine Preiserhöhung. Sie glauben, daß der Umsatz sich wohl auf gleichem Niveau einpendeln wird. Exitus Freunde, die Ökonomie schlägt zurück.
      Wo keine Nachfrage mehr vorhanden ist, siehe die Massenarbeitslosigkeit und Kürzungen beim Staat, da werden keine Umsätze mehr zu retten sein. Sie können die Preise noch so erhöhen, es wird nur kurzfristig funktionieren.

  3. ALT-F2 sagt:

    Heute geht es wieder zum Parlament ?

    Gegen wen wollen die Demonstranten dort demonstrieren ?

    Gegen die Herrschaften die sie selbst gewählt haben ?

    Die Verlogenheit der Politiker scheint von der
    Verlogenheit der Wähler noch übertroffen zu werden!

    Nicht wählen !

    • Andreas Schmitt sagt:

      Warum nicht wählen? Die Menschen haben die VOLKSVERTRETER gewählt. Die VOLKSVERTRETER wollen aber nur noch eine kleine Elite vertreten, dagegen sollte man protestieren. Sie müssen die rote Linie deutlich sehen, und die wurde bereits in Spanien überschritten, keine Frage.

      • Uhupardo sagt:

        Staubsaugervertreter verkaufen Staubsauger, Volksvertreter verkaufen …

        Es ist tatsächlich die Frage: Wen wollen Sie wählen, um den Verkauf zu vermeiden in diesem System?

        • Andreas Schmitt sagt:

          Gute Frage, ich habe sie mir schon beantwortet. Seit der Ratifizierung des Fiskalvertrages und der Schuldenbremse wird es allen Parteien faktisch unmöglich die Interessen ihrer Wähler zu vertreten. Der Fiskalpakt wird JETZT 2013 kommen! Die Betonung liegt bei ALLEN: Auch die PP, oder in Deutschland CDU werden die Oligarchen und die Unternehmer kaum noch mit Rettungs- oder Konjunkturpaketen bedienen können. Da braut sich ein Sturm von Rechts und von Links zusammen. Beide Lager sind aber zur Zeit in Europa durch unsinnige Verträge geknebelt. Die rechte und liberale Parteien sind aber noch schlechter dran, weil sie die Steuereinnahmen nur über indirekte Steuern, also Mehrwert-, Benzin, Tabaksteuer erhöhen können. Oder sie kürzen die Ausgaben, also Renten, Krankenversicherung, etc. Das würgt aber die Konjunktur noch mehr ab und sie machen sich damit bei der eigener Klientel, den Vermögenden, unbeliebt. Es entsteht die gefährliche Lage wie 1933 in Deutschland, als die Großkapitalisten den Hitler an die Macht gebracht haben, um der Systemfrage zu entkommen. Die Linken könnten noch den Fiskalvertrag über Reichensteuer oder Vermögensabgabe zu entschärfen, aber das ist utopisch, weil dann die Vermögenden den Staaten kein Geld mehr leihen werden.
          Also links wählen und der Exitus, und die Bloßstellung des Systems werden perfekt!
          Als letzter Ausweg bleibt den Plutokraten der Krieg, das müssen wir verhindern. Lassen wir nicht zu, daß sie die Menschen in Europa gegeneinander aufhetzen!

          • Uhupardo sagt:

            Nach ihren Worten: Rechts kann es nicht regeln, links kann es nicht regeln. (Wobei links in D nur noch die LINKE existiert, die in dem Land sowieso nie eine Mehrheit bekommen wird.) Wenn es also beide nicht regeln können, ist es egal, und es gibt keinen Grund, warum Sie zum Wählen aufrufen sollten.

            • Andreas Schmitt sagt:

              Es gibt nur einen Grund, weil wir mehr sind als DIE.

              • Uhupardo sagt:

                Nun gut, zwar ist das kein Grund zu wählen, nicht einmal innerhalb Ihrer eigenen Argumentationskette; verzichten Sie aber bitte jedenfalls auf Fettschrift, hier ist niemand taub.

              • fischi sagt:

                Wahl ist gut wenn man wirklich eine Wahl hat.
                Aber genau das haben die Neoliberalen verhindert.
                Die haben eine Einheitspartei nach dem Vorbild der DDR geschaffen und lachen sich über das dumme Volk krank.
                Die Linken sind zum Teil noch ein Sonderfall, aber die letzten die da noch links sind werden auch noch gekauft.
                Ich habe mich neulich schon mal erkundigt ob die Biertrinker noch Freibier versprechen, aber das war auch wieder nichts.
                Nee, mit Wahlen ist auf fast in ganz Europa nichts zu ändern.

  4. Andreas Schmitt sagt:

    Ein Zitat zum Nachdenken:
    http://www.madriderzeitung.com/00685-forbes-wirtschaft-vermogen-ortega.html
    13 Spanier in der „Forbes“-Liste 2010 der Reichsten Menschen der Welt
    „Strukturreformen in Spanien
    Die Zahlen sind ein Zeichen dafür, dass sich die Wirtschaft wieder langsam von der Finanzkrise erholt. Doch auch wenn es wieder mehr Milliardäre gibt als 2009, so sind es dennoch weniger als 2008. Gerade Spanien verlor viele Supperreiche aufgrund der Rezession und der schweren Krise auf dem Immobilienmarkt. Strukturreformen sind laut Forbes (Präsident der Studie) deshalb in diesem Zusammenhang unausweichlich.

  5. almabu sagt:

    Auch der spanische König, der noch als armer Schlucker auf den Thron kam, soll inzwischen ganz erheblichen Reichtum „erworben“ haben. Wieso? Womit? Wodurch? Wieviel? Seit seiner missglückten Elefantensafari hat er seine Narrenfreiheit verloren und wird genau beobachtet…

  6. Uhupardo sagt:

    Es blieb friedlich gestern in Madrid. Eine kurze Zusammenfassung und Fotos gibt es bei

    „Das war kein Selbstmord, das war Mord“

  7. Peter Hope sagt:

    Es wurde ja auf beiden Seiten auf die Konfrontation gesetzt. Es kann mir niemand erzählen, dass die Organisation des Teams ernsthaft von einer Regierung Rajoy erwartet hat, die konstitutionelle Versammlungsfreiheit einzuräumen. Aber ich finde das auch gut so. Ziviler Ungehorsam ist ein legitimes Mittel die Regierung in ihrer Hilflosigkeit bloszustellen.
    Weiter so!

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