Märchenhafte Zahlen als Basis für die Griechenland-„Rettung“

 

Die „Rettung“ beruht auf Annahmen, die eher einem Märchen gleichen als einer wirtschaftlichen Analyse. Die Troika aus EU, EZB und IWF träumt sich Griechenland schön und man hat das beklemmende Gefühl: Sie wissen genau, was sie tun! Die Voraussagen über die Wirtschaftsentwicklung in Athen könnten direkt einer neuen „Starwars“-Folge entspringen.

Im Jahr 2013 werde Griechenland nur noch ein Defizit von 1% haben und 2014 soll die Wirtschaft bereits wieder um 1,3% wachsen, so steht es geschrieben im neunseitigen Troika-Papier unter dem Titel „Griechenland: Vorläufige Nachhaltigkeitsanalyse der Staatsschulden“. Das ist nicht hemmungslos optimistisch sondern geradezu hanebüchener Unsinn, wenn man weiss, dass die griechische Wirtschaft im vierten Quartal 2011 um sieben Prozent geschrumpft ist.

Seit fünf Jahren
in tiefer Rezession verhaftet und jetzt wird dem Land verordnet, ausser für den Schuldendienst praktisch für nichts anderes mehr Geld ausgeben zu dürfen. Das kann nicht einmal theoretisch zu Wirtschaftswachstum führen. Für entsprechende Förderprogramme ist keinerlei Spielraum mehr. Die Arbeitslosigkeit muss, wenn die verordneten Sparprogramme umgesetzt werden, weiterhin steigen. Die Gehälter werden sinken, weil der Mindestlohn laut der selben Sparprogramme gesenkt werden muss. Damit fällt auch der Inlandskonsum weiter.

 

So wird der Finanzierungsbedarf bis 2020 bei rund 250 Milliarden Euro landen, von denen erst 130 Milliarden bewilligt sind. Kein Wunder also, dass sich selbst Wolfgang Schäuble in einem Brief an die Bundestagsabgeordneten skeptisch äussert: „Es ist möglicherweise auch nicht das letzte Mal, dass sich der deutsche Bundestag mit Finanzhilfen für Griechenland befassen muss.“ – Da kündigt sich schon jetzt Nachschlag-Bedarf an, den Schäuble natürlich genau kennt und besser als fast jeder andere.

Die weitere Insolvenz-Verschleppung Griechenlands hat Methode und System, denn niemand glaubt mehr ernsthaft, das Land „retten“ zu können. Und natürlich – hier wurde es schon oft genug gesagt – geht es auch gar nicht um eine „Rettung“ Griechenlands. Ziel ist es schlicht, die Finanzparty nicht komplett absaufen zu lassen und Zeit zu gewinnen. Erst will man weitere europäische Wackelkandidaten (Portugal, Spanien, Irland …) aus der Gefahrenzone manövrieren, bevor Griechenland angeblich gefahrlos aufgegeben werden kann. Das kann nicht funktionieren, weil sich „die Märkte“ immer das schwächste Glied der Herde als nächstes Opfer aussuchen werden, wie das jedes Raubtier instinktiv tut.
Die Proteste in Spanien haben gerade erst begonnen. Wir berichteten ausserdem über Aktionen wie „Yo no pago“ und die „Yayoflautas“.

Je mehr die völlig überzogene Austeritätswelle in Europa für immer weiter verarmende Bevölkerungen sorgt (Spaniens jüngste Reformen sind das Paradebeispiel dafür), desto einfacher ist es für „die Märkte“, gegen solche Staaten zu spekulieren. Der Begriff „Wachstum“ ist nicht nur schon jetzt ein Terminus, der dringend ins Antiquitätenkabinett verfehlter Wirtschaftspolitik gehört – zum Sparen oder zu Strukturreformen besteht auch kein Anreiz, weil die „Rettungsgelder“ nicht der nationalen griechischen Wirtschaft, sondern den Banken zugute kommen werden. Das lernt Athen aktuell; sehr bald wird sich diese Erkenntnis auch in Spanien, Lissabon und vielleicht sogar in Rom durchsetzen.

Dabei werden die Banker in den Regierungszentralen (Draghi, Papademos, Monti, de Guindos) dem keinen Riegel vorschieben, weil es ihrer Klientel nützt. So wird die Bevölkerung am Ende selbst handeln müssen, wenn der Leidensdruck gross genug geworden ist.

9 Kommentare zu “Märchenhafte Zahlen als Basis für die Griechenland-„Rettung“

  1. almabu sagt:

    Es kann wohl davon ausgegangen werden, dass Deutschlands Wirtschaft am Ende des Jahres 2012 keine so makellosen Zahlen mehr vorlegen kann? Dann – spätestens dann – fängt auch hier wieder das große Jammern und Drehen an der Lohn- und Einkommensschraube an.

    Wir werden dann in der kafkaesken Situation sein, einerseits Europas Südschiene „retten“ zu müssen und gleichzeitig die eigenen Einkommen weiter reduzieren zu müssen. Dies müssen wir dann auch länger tun (Rente mit 71!).

    Ein vollkommen irrwitziges Unterfangen, bar jeder Logik, aber unsere Politiker scheinen dies nicht erkennen zu können?

    Die Löhne gehen gegen Null und die Absatzzahlen in gesättigten Märkten ebenso. Vielleicht sollten die Arbeitnehmer Europas den Unternehmern Europas einfach eine Stillhalte-Prämie überweisen, damit die und die Banken Ruhe geben. Die Politiker wären dann überflüssig, Gewerkschaften aber auch…

  2. uhupardo sagt:

    Die Geschichte mit der Stillhalte-Prämie muss einem erstmal einfallen. Als letztes Mittel nach einer kompletten Bankrott-Erklärung der Revolution aber zu überdenken …

    • almabu sagt:

      Oh, das ist relativ einfach! Man versetze sich einfach in die Position der Gegenseite, also die des Kapitals in seiner nationalen und internationalen Ausprägung und denken deren Forderung linear zu Ende. Sie wollen weniger Löhne zahlen, et voilá, wir arbeiten umsonst, als Sklaven! Was hätte sie damit gewonnen? Produkte, die – da ohne Lohnkostenanteil – ca. 30 Prozent billiger wären! Die würden sie dann verkaufen, …an wen?

      Auch der Rohstoff- und Energiebedarf zur Produktion ist wegen begrenzter Vorräte limitiert.
      Wenn dann am Ende ohne Arbeit, ohne Rohstoffe und ohne Energie, das Kapital nach seiner Rendite schreit, dann landen wir bei der Überweisung virtueller Geldbeträge.
      Sagen wir mal, als Zins für Altschulden?

      Aber was könnte das Kapital mit diesen virtuellen Überweisungen tun, für die man sich dann nichts mehr kaufen kann? Wie könnte man damit Völker versklaven, ihren Willen brechen ihnen den eigenen Willen aufzwingen? Was würde aus all den wichtigen Unternehmern, Bankern und Kapitalisten? Utopie? Wer weiss?

      Geld ist Macht, so heisst es. Aber Macht bedarf zweier Dinge. Sie benötigt mindestens Einen, der sie ausübt und mindestens Einen der sie anerkennt! Wenn einer ständig faselt, dass er die Macht habe, aber die Anderen diese nicht anerkennen, dann wird er schließlich weggesperrt, in die Klapse, zu den anderen Napoleons und Cäsaren…

      Es gibt ja schon Tendenzen, Bargeld aus dem Zahlungsverkehr zu entfernen, angeblich um Schwarzgeld zu bekämpfen! Das wäre nur folgerichtig: Nach der Goldgedeckten Währung und dem nur vom Vertrauen gedeckten Papiergeld nun auch noch das bunte Papier abzuschaffen!
      Dann fehlt nur noch der Chip und man ist eine digitale Nummer, der digital Geld zum Leben zugeteilt wird, zur medizinischen Versorgung, oder kein Geld zum Sterben.

      Manchmal, wenn man Menschen rat- und fassungslos vor Geldautomaten stehen sieht, denen die Maschine kein Geld ausspuckt, dann ahnt man, dass der Weg hin zu der von mir geschilderten Utopie nicht übermäßig lang ist…

  3. Ich kann nicht mehr davon ausgehen, dass die heutigen Politmarionetten in den Staaten der USA und Europas „unüberlegt“ oder gar „planlos“ und „verrückt“ handeln. Das scheint nur uns von unserem Standpunkt und mit unseren (berechtigten!!!) Interessen so.

    Tatsächlich gehen sie sehr zielstrebig vor und erfüllen ganz genau ihre Aufgaben und Zielstellungen:

    Vollkommene und entschädigungslose Enteignung der Bevölkerung und Staaten, dadurch Verkauf der Nationen und Länder an die Banken in die Schuldsklaverei. Auch ein bißchen Krieg (und wenn es „nur“ Bürgerkrieg ist) ist auch sehr hilfreich und durchaus gewünscht und geplant, das Zerstörte muss ja hinterher wieder aufgebaut werden. Das gibt dann nochmal ein paar saftige Profite. Auch eine neuerliche „Währungsreform“ ist durchaus im Plan – auch das gibt neue zusätliche Gewinne.
    Ach ja, es ist bei dieser Gelegenheit auch viel lästige Konkurrenz aus dem Weg geräumt worden.

    It’s all just business! Und Machthaber suchen sich die Marionetten aus, die ihren Willen am effektivsten durchsetzen…

    Schönen Gruß vom EMS.

    • Don Furioso sagt:

      Ich stimmer Dir zu, Solveigh! Das ist nicht planlos, sondern gezielt zerstörerisch. Die Bürger Europas haben es lange hingenommen, dass andere Länder der Dritten Welt der Sklaverei verfielen. Nun ist Europa an der Reihe. Viele Deutsche (und Niederländer und Finnen) glauben immernoch, sie werden davon verschont weil sie irgendwie besser sind. Vermutlich werden sie es auch hinnehmen, dass Südeuropa versklavt wird. Bis es sie selbst trifft. Ob sie dann endlich die richtigen Schlüsse ziehen, oder die Fehler der Dreißiger begehen, darauf bin ich traurig gespannt. Danke für denn Beitrag, Uhupardo!

  4. Hannes B. sagt:

    Nichts geschieht planlos, auch wenn es zunächst unverständlich ist. Wird der Druck auf Griechenland so stark, dass ein Militärputsch der provozierte Ausweg ist? Als Mahnung an Portugal etc. nicht auch von einem Schuldenerlass zu träumen? USA und GB warnen (gestern in mehreren Artikeln) bereits davor, die Bürger sollen zumindest 24 Std. erreichbar sein:
    http://www.examiner.com/international-trade-in-national/greek-military-ready-to-intervene-and-take-over-greek-parliament
    Die deutsche Botschaft weiss natürlich von nichts.
    Wenn in Afganistan „zufällig“ ein Koran angekokelt wird, und dieser dann „zufällig“ auch noch in die richtigen Hände fällt, Zufall? In Kürze werden wir das von den Verursachern gewünschte Ergebnis sehen, vlt. vorgezogener Abzug? Die paar Toten !!!
    Ich gehe mit den hier geäußerten Meinungen absolut dacore. Hier, in uhupardos tiefgehenden Artikeln – und genau so in den Kommentaren – steckt soviel Wissen, soviel Klarheit und Einigkeit. Aber es verläuft doch alles im Sand. Es gelingt ja nicht mal, den nächsten Nachbarn zu überzeugen. Wir haben gegenüber den „Gleichgültigen“ lediglich den Vorteil, die Katastrophe sehenden Auges zu erleben, oder auch die Operation ohne Betäubung genießen zu dürfen.

    I had a dream:
    1. Man nehme: Eine Destination in einem angenehmen Klima, z.B. auf den Kanaren (wegen der Unabhängigkeit von der überlebenswichtigen, in Zukunft unbezahlbaren(?) Heizenergie und möglichst weit ab „vom Schuß“ im doppelten Sinne.
    2. Man gründe einen eigenen Staat:
    http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/wie-geht-glueck-herr-poet-dann-werd-doch-selbst-ein-staat-1.1289885
    3. Man installiere – neben dem Euro – einen Inflationsschutz in Form einer rohstoffgedeckten „Regiowährung“ (gibt es alles schon anderswo).
    4. Man verbiete in der Verfassung die Ursache des Dilemmas, den Zinseszins
    5. Man wende das Bandbreitenmodell an

    Zunächst wäre man sicher nur eine „handvoll Gleichgesinnter“, aber die Presse würde sich auf das Thema stürzen (lassen) und das Konzept könnte über sich hinaus wachsen.

    Aber: Da ich dort (noch) nicht wohne, kann ich es nicht.
    Es bleibt ein Traum. Regen wir uns weiter auf, Themen gibt’s ohne Ende.

  5. Stephan sagt:

    Schritt für Schritt wird ein Land nach dem anderen aus der EU nach unten gezogen! Und irgendwann „klemmen die Gelddruckmaschinen“ und dann kommt der Stein in Richtung Mitteleuropa so richtig ins rollen! Leider habe ich aber auch nicht die Lösung für die finanziellen Probleme auf der Erdkugel! Wir werden uns alle noch umschauen!
    http://wallgang.wordpress.com

  6. uhupardo sagt:

    Muchas gracias, sehr viel Substanz in den Kommentaren zu diesem Artikel!

    almabu hat die „perverse Wertschöpfungskette“ kompakt zusammengefasst. Solveigh und Don Furioso sind ebenfalls überzeugt „Sie wissen genau, was sie tun“. Da mag ab und zu politischer Dilettantismus mit im Spiel sein, die Absicht wird dennoch klar.

    Der Traum-Plan von Hannes B. trifft den Nagel auf den Kopf. Noch wird überall Zeit in zu vielen Aufgeregtheiten verschwendet statt konsequent Zukunft zu planen, solange man das noch halbwegs ruhig kann. Doch dazu müssten mehr Mitschläfer … perdón … Mitbürger aufwachen (auch auf den Kanaren), die bisher gar keinen Alarm sehen, weil ihr eigenes Hemd noch nicht brennt.

  7. atzetrader sagt:

    Griechenland wird aufgekauft und ausgesaugt, wie ein Konzern von einer Heuschrecke.
    Wie ein Entwicklungsland vom IWF.

Hinterlasse einen Kommentar