Finale in Paris – EU plant Finanz-Superministerium

 

Die Europäische Union will auf dem Weg einer Fiskalunion fortschreiten und plant die Einrichtung eines Finanz-Superministeriums, das weitreichende Kompetenzen haben soll, um in die Haushalte derjenigen Länder eingreifen zu können, die zu viele Schulden machen. Das geht aus einem Entwurf hevor, den die Financial Times vorab veröffentlicht und der am Wochenende auf dem Brüsseler Gipfel diskutiert werden soll.

Der Plan, der Brüssel mehr Macht über die Finanzsysteme und öffentliche Haushalte der einzelnen Länder einräumt, enthält auch weitreichende Massnahmen hin zu einer politischen und Bankenunion. Entworfen wurde die Vorlage vom Zentralbankchef Mario Draghi, dem Präsidenten des Europäischen Rats, Herman Van Rompuy, und dem der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker. Bisher ist es eine Studie, die heute Nachmittag von den Ministern in Paris analysiert werden soll.

 

Wie der französische Finanzminister Pierre Moscovici gegenüber Radio France Info ausführte, müsse Europa “jetzt die Grundlagen für die zweite Phase des Euro setzen” und “beweisen, dass wir in der Lage sind, eine Integration der Banken, der Finanzen, der Haushalte und der Politik auf die Beine zu stellen”. Zwar beinhaltet der neue Plan noch keine Euro-Bonds, aber durchaus Schritte in diese Richtung. So soll ein Fonds gegründet werden, der alle Schulden vereinigt, die über 60 Prozent des Staatshaushaltes hinausgehen. Die Ziele Frankreichs seien vorrangig “die direkte Rekapitalisierung der Banken” (Red.: also ohne den Umweg über den Staat) und “eine verstärkte Integration mit der Ausgabe von Euro-Bonds an deren Ende”.

In diesem Sinn präsentieren zwei grosse Persönlichkeiten der europäischen Sozialdemokratie, Helmut Schmidt und Jacques Delors, ein Papier, das ebefalls von Financial Times veröffentlicht wird. Es schlägt die Schaffung einer europäischen Schuldenagentur vor, geleitet vom Superministerium für Finanzen. Diese Agentur wäre berechtigt, europäische Anleihen für die gesamte Eurozone auszugeben und im Gegenzug die Haushalte derjenigen Länder zu überwachen – Vetorecht inklusive -, die am meisten Gebrauch von den Euro-Bonds machen.

 

Diese 41-seitige Studie wurde von den bekannten Wirtschaftswissenschaftlern Peter Bofinger (Deutschland), Jean Pisani-Ferry (Frankreich), Paul de Grauwe (Belgien) und Jean-Claude Piris erarbeitet. Letzterer ist der Autor fast aller Europa-Verträge der jüngsten Zeit. Heute Nachmittag werden sich in Paris der EU-Kommissar Olli Rehn und die Minister Wolfgang Schäuble (Deutschland), Luis de Guindos (Spanien), Mario Monti (Italien, ist auch Wirtschaftsminister) treffen, um über die neuen Vorschläge zu beraten. Am Mittwoch fliegt Angela Merkel nach Paris, um mit dem französischen Regierungschef Francois Hollande den Gipfel vorzubereiten.

Alle diese Informationen werden öffentlich einen Tag nachdem die spanische Regierung die Bankenrettung beantragt und die Rating-Agentur Moody´s 28 spanische Banken, teilweise auf Ramschniveau, herabgestuft hatte. Nicht nur der bekannte Investor George Soros – viele andere politische Beobachter sind mit ihm der Meinung, dass es an diesem Wochenende um alles geht und die politisch Verantwortlichen in diesen drei Tagen die letzte Möglichkeit haben, eine Implosion des Euro zu vermeiden und die Währung zu “retten”. Endspiel in Paris und weiterhin Reaktion statt Aktion aller Beteiligten. Es ist nicht schwer vorherzusagen: Mehr Flickschusterei ja; Vision nein. Der Euro müsste unverschämt viel Glück haben, wenn er diesen Sommer überleben will.

Lesen Sie dazu bitte auch:
* Plädoyer für den Süden
* Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt
* Staatsschuldenkrise? – Don´t call it Schnitzel, stupid!
* Neuauflage: „Davon haben wir nichts gewusst!“

19 Kommentare zu “Finale in Paris – EU plant Finanz-Superministerium

  1. […] Uhupardo berichtet soeben, dass die Europäische Union ein Super-Finanzministerium in Frankreich plant. Sein Fazit: “Der Euro müsste unverschämt viel Glück haben, wenn er diesen Sommer überleben will.” Gefällt mir:Gefällt mirSei der Erste dem dies gefällt. […]

  2. Mir bleibt dabei nur noch die Spucke weg.

  3. politropolis.de sagt:

    Reblogged this on politropolis.

  4. politropolis.de sagt:

    „Wer Visionen hat soll zum Arzt gehen“ sagte Helmut Schmidt 1980 einmal. Vielleicht gerade deshalb, weil sie keine Visionäre mehr waren, keine Utopien mehr angestrebt haben, hat diese Politiker-Generation abgewirtschaftet.

    • Ooooch, die haben schon Visionen. Die sind völlig abartig und krank und sehen so aus:

      Ich hoffe, Du kannst das sehen, wenn nicht, sag‘ bescheid, dann suche ich einen anderen Weg, das zu zeigen.

      • politropolis.de sagt:

        Habs gesehen! Und natürlich der libertäre Klassiker: “KEINE ÄRZTE FÜR DIE ARMEN”. Ein Zustands-Bericht der den Weg der USA von heute mit verstörenden Bildern unterlegt. Ein Vorgeschmack auf das, was in Europa zeitverzögert kommen wird?

        Bericht zum Lesen: http://bit.ly/yP0LqK
        Direkt zum Filmbeitrag (10Min.):http://bit.ly/xLxQUU

      • Das ist doch längst in Deutschland angekommen, politropilis.de.
        Ich kenne viele Menschen in meiner Heimatstadt, die Hartz-IV-abhängig sind und sich dreimal überlegen, ob sie zum Arzt gehen oder Brot kaufen (trotz so genannter Krankenversicherung, die seit der Gesundheitsreform übers Geld diese Menschen einfach ausschließt! SPD und Grüne sei Dank!)
        Und eine Kur? hahahaaa
        Krankenhaus? Das kostet 7 Euro pro Tag für die ersten zehn Tage – woher nehmen?

        Es ist bei uns nur besser versteckt. Aber Praxisgebühr und Zuzahlungen zu Medikamenten, Hilfsmitteln und Krankenhaus-Aufenthalt hält viele der Ärmsten einfach fern. Das wird dann auch gern zynisch Schalterhygiene genannt!
        In meiner Stadt bekommst Du keinen Termin bei einem Allgemeinen Arzt – sie haben „zu viele“ Patienten. Bist Du also neu in der Stadt, musst Du Dich stundenlang in die Notaufnahme im Krankenhaus hinsetzen!
        Amerikanische Verhältnisse pur!
        Und ich denke über die Zustände in Altenheimen seit der so genannten Gesundheitsreform, die eigentlich ein Euthanisie-Gesetz ist, brauche ich Dir nichts zu erzählen, oder doch?
        Sollten Dir die Zustände da wirklich noch nicht bekannt sein, sprich‘ mal mit Menschen, die da arbeiten – für’n Hungerlohn, übrigens!

    • MartinP sagt:

      Ja, so sehe ich es auch. Brandt hatte noch welche, aber Schmidt schon nicht mehr. Kohl hat meinem Empfinden nach Deutschland „regiert“ wie ein Pate, ein reiner Machtpolitiker. Merkel ist auch nicht besser.

  5. fischi sagt:

    Das Bild ist zu sehen und weit sind wir davon auch nicht entfernt.
    Sicherheitsdienste an Schulen gibt es hier doch schon.
    Man darf gar nicht darüber nachdenken was das für Menschen züchtet.
    Wenn man so einen Unsinn wie oben liest muß man aber annehmen das bei der Erziehung der sogenannten europäischen und deutschen Eliten auch tüchtig was falsch gelaufen zu sein.
    Die würden doch alle ihre Großmutter verkaufen wenn sie damit ihr Geldsystem retten könnten.
    .

    • Schon Marx wusste doch: Ab 1.000 % Profit bringen sie ihre eigene Großmutter um!
      Wenn Du diese entfesselte Kriminalität heute siehst, kannst Du Dir in etwa ausrechnen, welche Profite sie damit einfahren!

      @politropolis.de – ich gehe gleich gucken!

      • fischi sagt:

        Zu der Gesundheitssache mal ganz kurz.
        Mir hat ein Arzt gesagt, sie sind nicht Roland Kaiser, für sie ist keine Lungentransplation vorgesehen.

      • politropolis.de sagt:

        @Solveigh Calderin – Ich bin als „Ehrenamtlicher“ in der Politik tätig. Unser Landkreis ist bemüht (Rot-Grün-FW) weiterhin die Gesundheitsversorgung der kreiseigenen Kliniken (Wetzlar und Dillenburg) in eigenen Händen zu halten und nicht mit börsennotierten privaten Klinik-AGs zu fusionieren. Darüberhinaus sind wir „Optionskommune“, also ein Landkreis der selbst „Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende“ ist. Aktuell bin ich im Aufsichtsrat der http://www.gwab.de tätig, die sich um bessere Chancen und Qualifizierung uam. bemüht.Viele Grüße Udo

  6. Martin sagt:

    Das Ganze lässt sich prosaisch nur mit Reinhard Mey’s „Narrenschiff“ abrunden:

    Die Seen schlagen mannshoch in den Laderaum,
    und Elmsfeuer züngeln vom Ladebaum,
    doch keiner an Bord vermag die Zeichen zu deuten.

    Der Steuermann lügt, der Kapitän ist betrunken,
    und der Maschinist in dumpfe Lethargie versunken,
    die Mannschaft: lauter meineidige Halunken,
    der Funker zu feig um SOS zu funken.
    Klabautermann führt das Narrenschiff,
    volle Fahrt voraus und Kurs aufs Riff!

    • Peter Grave sagt:

      Lieber Martin, es war immer die Politik die die Menschen in den Abgrund geführt haben! Der einfache Bürger hat keinen Bedarf für Krieg, unendliches Wachstum mit der Zerstörung der Natur, zig Millionen zu besitzen, sondern er will friedlich seiner ehrlichen Arbeit nachgehen von der er aber auch leben kann! Burn Out ist nicht sein Ding, aber er kann sich davor nicht schützen, denn immer weniger Menschen müssen immer mehr leisten und das mit gleichem oder weniger Lohn!!
      Nachdenker

      • politropolis.de sagt:

        Ich weiss, es wird nicht gerne gehört, aber ich habe zu kritisieren, dass sehr viele sich nicht um ihre eigenen Dinge scheren, denen es völlig schnuppe ist, WELCHE Personen in ihrer Stadt, Gemeinde und Kreis die Geschicke lenken und NICHT WÄHLEN gehen. Und das obwohl es bei der Kommunalwahl keine 5% Hürde gibt und obwohl man Listenübergreifend die PERSON wählen kann, der man am meisten traut. (Auch sind die Hürden, selbst zu kandidieren nicht so hoch.) Trotzdem: Wahlbeteiligung nur ca. 30-40% und bei den Bürgermeisterwahlen nur 25%. Ich finde das beschämend! Aus meiner Erfahrung heraus kann ich mit Überzeugung sagen: Es ist eben nicht egal, WER in Stadt und Gemeinde regiert. Wählen gehen halte ich für sehr wichtig. Viele Grüße Udo

  7. […] viaFinale in Paris – EU plant Finanz-Superministerium « uhupardo. Share| Juni 27, 2012 at 9:25 am by admin Category: EU-Wahnsinn, EUDSSR […]

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